(Kiel) Der Bun­des­ge­richts­hof hat sich in einer Ent­schei­dung mit der Fra­ge beschäf­tigt, ob ein Käu­fer im Anschluss an eine bereits erklär­te Min­de­rung des Kauf­prei­ses wegen des­sel­ben Sach­man­gels (auch) noch im Wege des soge­nann­ten “gro­ßen Scha­dens­er­sat­zes” die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges ver­lan­gen kann.

Dar­auf ver­weist der Wetz­la­rer Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Roma­nus Schlemm, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 9.05.2018 zu sei­nem Urteil vom glei­chen Tage, Az. VIII ZR 26/17.

  • Sach­ver­halt und Prozessverlauf:

Die Klä­ge­rin, eine Gesell­schaft mit beschränk­ter Haf­tung, schloss einen Lea­sing­ver­trag über ein von der Beklag­ten her­ge­stell­tes und zum Ver­kauf ange­bo­te­nes Neu­fahr­zeug der Mar­ke Mer­ce­des-Benz. Nach­dem die Lea­sing­ge­sell­schaft das Fahr­zeug zu einem Kauf­preis von 99.900 € von der Beklag­ten erwor­ben hat­te, wur­de es im März 2014 an die Klä­ge­rin übergeben.

Im Zeit­raum Okto­ber 2014 und Febru­ar 2015 brach­te die Klä­ge­rin das Fahr­zeug wegen ver­schie­de­ner Män­gel (unter ande­rem: Kurz­schluss am Steu­er­ge­rät der Sitz­ein­stel­lung, Aus­set­zen der Gang­schal­tung, meh­re­re Feh­ler an der Elek­tro­nik) ins­ge­samt sie­ben­mal in eine Nie­der­las­sung der Beklag­ten. Die gerüg­ten Män­gel wur­den jeweils von der Beklag­ten beseitigt.

Die Klä­ge­rin ist der Auf­fas­sung, dass sämt­li­che auf­ge­tre­te­nen Män­gel auf eine auf her­stel­lungs­be­ding­ten Qua­li­täts­män­geln beru­hen­de Feh­ler­an­fäl­lig­keit des Fahr­zeugs zurück­zu­füh­ren sei­en und erklär­te unter Beru­fung hier­auf mit ihrer Kla­ge­schrift gegen­über der Beklag­ten die Min­de­rung des Kauf­prei­ses (§ 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB) in Höhe von 20 Pro­zent. In der Fol­ge­zeit such­te sie erneut eine Nie­der­las­sung der Beklag­ten zur Behe­bung wei­te­rer Män­gel (Defekt des Pul­sa­ti­ons­dämp­fers der Hydrau­lik­pum­pe; grund­lo­ses Auf­leuch­ten der ABC-Lam­pe) auf. Der erst­ge­nann­te Man­gel wur­de beho­ben, bezüg­lich der zwei­ten Bean­stan­dung ver­moch­te die Beklag­te einen Man­gel nicht zu erken­nen. Kur­ze Zeit spä­ter stell­te die Klä­ge­rin ihr Kla­ge­be­geh­ren dahin­ge­hend um, dass sie wegen der von ihr gel­tend gemach­ten her­stel­lungs­be­ding­ten Feh­ler­an­fäl­lig­keit des Fahr­zeugs nicht mehr die Rück­zah­lung des sich aus der Min­de­rung des Kauf­prei­ses erge­ben­den Betra­ges, son­dern viel­mehr den soge­nann­ten gro­ßen Scha­dens­er­satz (Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung, § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB) ver­lang­te, der auf Ersatz des dem Käu­fer durch die Nicht­er­fül­lung des gesam­ten Ver­tra­ges ent­stan­de­nen Scha­dens sowie die Rück­ge­währ bereits erbrach­ter Leis­tun­gen gerich­tet ist.

In den Vor­in­stan­zen hat die Kla­ge ganz über­wie­gend Erfolg gehabt. Dabei sind sowohl das Land­ge­richt als auch das Ober­lan­des­ge­richt davon aus­ge­gan­gen, dass die Klä­ge­rin wegen der von ihr bemän­gel­ten Feh­ler­an­fäl­lig­keit des Fahr­zeugs trotz der inso­weit zuvor bereits erklär­ten Min­de­rung des Kauf­prei­ses noch wirk­sam zu einem Anspruch auf soge­nann­ten gro­ßen Scha­dens­er­satz und damit zur voll­stän­di­gen Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges habe über­ge­hen kön­nen. Mit ihrer vom Senat zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folg­te die Beklag­te ihr Kla­ge­ab­wei­sungs­be­geh­ren weiter.

  • Die Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Der unter ande­rem für das Kauf­recht zustän­di­ge VIII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat ent­schie­den, dass es einem Käu­fer ver­wehrt ist, im Anschluss an eine von ihm gegen­über dem Ver­käu­fer bereits wirk­sam erklär­te Min­de­rung des Kauf­prei­ses unter Beru­fung auf den­sel­ben Man­gel anstel­le oder neben der Min­de­rung so genann­ten “gro­ßen Scha­dens­er­satz” und damit die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges zu ver­lan­gen. Damit waren die Urtei­le der Vor­in­stan­zen (in denen es über­dies an hin­rei­chen­den Fest­stel­lun­gen betref­fend den von der Klä­ge­rin gel­tend gemach­ten Sach­man­gel fehlt) bereits aus die­sem Grund auf­zu­he­ben und die Kla­ge abzuweisen.

Nach § 437 Nr. 2, § 441 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Käu­fer einer man­gel­haf­ten Sache statt zurück­zu­tre­ten den Kauf­preis durch Erklä­rung gegen­über dem Ver­käu­fer min­dern. Damit soll dem mög­li­chen Käu­fer­inter­es­se Rech­nung getra­gen wer­den, die man­gel­haf­te Sache zu behal­ten und (statt den Kauf­ver­trag rück­ab­zu­wi­ckeln) durch Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses um den ange­mes­se­nen Betrag das Äqui­va­lenz­in­ter­es­se zwi­schen Leis­tung und Gegen­leis­tung wie­der­her­zu­stel­len. Da es sich bei der Min­de­rung nach § 441 BGB um ein Gestal­tungs­recht han­delt, mit wel­chem der Käu­fer durch ein­sei­ti­ges Rechts­ge­schäft eine Ände­rung des Ver­trags­ver­hält­nis unmit­tel­bar her­bei­zu­füh­ren ver­mag, ist die­ser ab Ein­tritt der besag­ten Gestal­tungs­wir­kung (Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses) an die von ihm erklär­te Min­de­rung gebun­den. Vor­lie­gend ver­moch­te die Klä­ge­rin mit­hin die bereits mit Zustel­lung ihrer Kla­ge­schrift gegen­über der Beklag­ten wirk­sam erklär­te Min­de­rung ein­sei­tig weder zurück­zu­neh­men noch zu wider­ru­fen, um statt­des­sen unter Beru­fung auf den­sel­ben Man­gel nun­mehr im Rah­men des soge­nann­ten gro­ßen Scha­dens­er­sat­zes die Rück­ab­wick­lung des gesam­ten Kauf­ver­tra­ges zu verlangen.

Nach der Kon­zep­ti­on des kauf­recht­li­chen Gewähr­leis­tungs­rechts war die Klä­ge­rin aber eben­falls dar­an gehin­dert, besag­ten gro­ßen Scha­dens­er­satz zusätz­lich zu der von ihr nicht mehr zu besei­ti­gen­den Gestal­tungs­wir­kung der Min­de­rung gel­tend zu machen und auf die­sem Wege im Ergeb­nis nicht nur eine Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses zu errei­chen, son­dern den (gege­be­nen­falls um Gegen­for­de­run­gen redu­zier­ten) Kauf­preis ins­ge­samt zurück­zu­for­dern. Zwar gestat­tet es das Gesetz einem Käu­fer grund­sätz­lich, bei Män­geln der Kauf­sa­che neben der Min­de­rung des Kauf­prei­ses zusätz­lich den Ersatz ihm ent­stan­de­ner Schä­den gel­tend zu machen (sie­he die Ver­bin­dung “und” zwi­schen § 437 Nr. 2 und Nr. 3 BGB). Dies gilt jeden­falls inso­weit, als der Käu­fer zusätz­lich zu dem man­gel­be­ding­ten Min­der­wert der Sache Schä­den erlit­ten hat (etwa ent­gan­ge­nen Gewinn). Damit wird dem Käu­fer jedoch nicht die Mög­lich­keit eröff­net, nach einer bin­dend gewor­de­nen Min­de­rung des Kauf­prei­ses wegen des­sel­ben Man­gels anstel­le die­ses Gestal­tungs­rechts oder neben die­sem einen auf Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­trags gerich­te­ten Scha­dens­er­satz­an­spruch statt der gan­zen Leis­tung (soge­nann­ten gro­ßen Scha­dens­er­satz) nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3, Abs. 5 BGB zu verlangen.

Denn mit der wirk­sa­men Aus­übung der Min­de­rung hat ein Käu­fer zugleich das ihm vom Gesetz ein­ge­räum­te Wahl­recht zwi­schen Fest­hal­ten am und Lösen vom Kauf­ver­trag “ver­braucht”. Das Sach­man­gel­ge­währ­leis­tungs­recht ver­langt dem Käu­fer einer man­gel­haf­ten Sache im Rah­men von § 437 BGB die grund­le­gen­de Ent­schei­dung ab, ob er den Kauf­ver­trag (unter Liqui­da­ti­on ent­stan­de­ner Ver­mö­gens­ein­bu­ßen) wei­ter­gel­ten las­sen oder ob er sich von die­sem lösen will. Dafür ste­hen ihm jeweils zwei Wege zur Ver­fü­gung. Will er die Kauf­sa­che behal­ten, kann er ent­we­der durch eine Gestal­tungs­er­klä­rung den Kauf­preis unter den Vor­aus­set­zun­gen des § 437 Nr. 2, § 441 BGB min­dern oder im Wege der Gel­tend­ma­chung eines Scha­dens­an­spru­ches statt der Leis­tung gemäß § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB die Liqui­da­ti­on des Min­der­werts errei­chen (soge­nann­ter klei­ner Scha­dens­er­satz). Will er sich hin­ge­gen vom Kauf­ver­trag lösen, kann er ent­we­der nach § 437 Nr. 2, § 323 BGB den Rück­tritt vom Ver­trag erklä­ren oder aber Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung nach § 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB for­dern, der auf Ersatz des dem Käu­fer durch die Nicht­er­fül­lung des gesam­ten Ver­tra­ges ent­stan­de­nen Scha­dens gerich­tet ist und die Rück­ge­währ bereits erbrach­ter Leis­tun­gen (§ 281 Abs. 5 BGB) zur Fol­ge hat (gro­ßer Schadensersatz).

Ein Käu­fer, der wirk­sam von dem Gestal­tungs­recht der Min­de­rung Gebrauch macht, bringt wegen des die­sem Gewähr­leis­tungs­recht vom Gesetz­ge­ber bei­gemes­se­nen Inhalts sei­nen Wil­len zum Aus­druck, die Kauf­sa­che trotz des ihr anhaf­ten­den Man­gels zu behal­ten und an dem Kauf­ver­trag mit dem durch die Her­ab­set­zung des Kauf­prei­ses wie­der­her­ge­stell­ten Äqui­va­lenz­ver­hält­nis fest­zu­hal­ten. Die­se Erklä­rung ist inte­gra­ler Bestand­teil der Gestal­tungs­wir­kung der Min­de­rung und mit­hin ab dem Wirk­sam­wer­den die­ses Gestal­tungs­rechts für den Käu­fer bin­dend. In die­ser Wei­se hat vor­lie­gend auch die Klä­ge­rin mit ihrer in der Kla­ge­schrift aus­ge­spro­che­nen Min­de­rungs­er­klä­rung ver­bind­lich zum Aus­druck gebracht, den Kauf­ver­trag nicht rück­gän­gig machen, son­dern das (ihrer Auf­fas­sung nach) mit dem Man­gel her­stel­lungs­be­ding­ter Feh­ler­an­fäl­lig­keit behaf­te­te Fahr­zeug zu einem redu­zier­ten Kauf­preis behal­ten zu wol­len. Mit die­ser Ent­schei­dung für die Fort­set­zung des Kauf­ver­trags ist es jedoch unver­ein­bar, dass sie nach erfolg­ter Min­de­rung des Kauf­prei­ses unter Beru­fung auf den­sel­ben Man­gel nun­mehr Scha­dens­er­satz statt der gan­zen Leis­tung (§ 437 Nr. 3, § 281 Abs. 1 Satz 3 BGB) und damit die Rück­ab­wick­lung des Kauf­ver­tra­ges (§ 281 Abs. 5 BGB) begehrt.

Schlemm riet, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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