(Kiel) Aufgrund zwei soeben entschiedener Fälle hat sich das Oberlandesgericht Hamm veranlasst gesehen auf die Risiken beim ʺschnellenʺ privaten Verkauf und Kauf von Fahrzeugen unter Nutzung des Internets hinzuweisen.

Darauf verweist der Erlanger Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus Fischer, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts Hamm (OLG) vom 9.03.2017 zu seinen beiden Urteilen, Az. 5 U 110/15 und 5 U 69/16.

Aufgrund der Erkenntnisse in diesen beiden Fällen hat das OLG Hamm folgende Verhaltensregeln empfohlen:

  • Wenn ein (privater) Verkäufer nicht als Halter in den Fahrzeugpapieren eingetragen ist, muss ein (privater) Käufer von sich aus prüfen, ob der Verkäufer zum Fahrzeugverkauf berechtigt ist. Die bloße Angabe des Verkäufers, er sei ein gewerblicher Zwischenhändler und auch der Umstand, dass der Verkäufer im Besitz der Fahrzeugpapiere und der Fahrzeugschlüssel ist, erübrigt die gebotene Überprüfung durch den Käufer nicht.
  • Die z. B. per E-Mail übersandte ʺBestätigungʺ eines Überweisungsauftrages kann gefälscht sein – allein ein Überweisungsauftrag lässt regelmäßig nicht erkennen, dass das vermeintlich angewiesene Geld auch tatsächlich auf dem Empfängerkonto ankommen wird.

Die nachstehend geschilderten Fälle, die der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm zu verhandeln hatte, verdeutlichen die genannten Risiken.

  • Rechtsstreit 5 U 110/15 Oberlandesgericht Hamm:

Als privater Verkäufer bot der Kläger aus Schwülper im Jahr 2014 seinen PKW Audi Q3 im Internet zum Preis von ca. 32.000 Euro zum Verkauf an. Im November 2014 rief ihn ein vermeintlicher Kaufinteressent an, der – wie später ermittelt wurde – den Namen eines unbeteiligten Dritten benutzte, dem wenige Tage zuvor die Geldbörse mit persönlichen Papieren entwendet worden war. Die Beteiligten einigten sich über den Kaufpreis und verabredeten eine Besichtigung und eventuelle Abholung des Fahrzeugs durch einen Beauftragten des Kaufinteressenten. Seine Bankverbindung übermittelte der Kläger an eine ihm mitgeteilte E-Mail-Adresse.

Zum vereinbarten Termin erschien eine Person, die dem Kläger die (entwendeten) Ausweispapiere des Dritten vorlegte und sich als dessen Beauftragter ausgab. Der Erschienene überließ dem Kläger eine vermeintlich echte Quittung eines Geldinstitutes über die beauftragte Überweisung des vereinbarten Kaufpreises von 30.500 Euro vom Konto des Dritten auf das Konto des Klägers. Die Beteiligten unterzeichneten einen schriftlichen Kaufvertrag und eine Erklärung zur Fahrzeugübernahme, die eine im Namen des Dritten verfasste, auf dem Beauftragten ausgestellte Vollmacht zur Entgegennahme des Fahrzeugs enthielt.

In der Annahme einer bevorstehenden Gutschrift des Kaufpreises übergab der Kläger sein Fahrzeug mit sämtlichen Schlüsseln und den auf seinen Namen ausgestellten Fahrzeugpapieren dem angeblichen Beauftragten des Dritten. Den Kaufpreis erhielt der Kläger in der Folgezeit nicht.

Zwei Tage nach der Veräußerung des Fahrzeugs durch den Kläger stieß der – mit dem Kläger seinerzeit nicht bekannte – Beklagte aus Bochum bei einer Internetrecherche auf das Fahrzeug des Klägers. Dieses wurde über ein Internetportal für 22.900 Euro zum Verkauf angeboten. Die verkäuferseitigen Informationen beschränken sich auf die Angabe ʺPrivatanbieterʺ, die Ortsangabe ʺRheineʺ und die Mitteilung einer Handynummer. Der Beklagte nahm über die Handynummer Kontakt zum Anbieter auf und vereinbarte einen Besichtigungstermin in Rheine. Während der Anfahrt nach Rheine erhielt der Beklagte einen Anruf des Anbieters, eines vermeintlich gewerblichen Zwischenhändlers, der ihm ein Entgegenkommen anbot, so dass man sich in Greven traf. Probefahrt und Besichtigung des Fahrzeugs erfolgten sodann in Greven, die Beteiligten einigten sich auf einen bar zu zahlenden Kaufpreis von 21.700 Euro und eine umgehende Vertragsabwicklung. Der Absprache entsprechend erfolgte die Kaufabwicklung am selben Abend am Wohnsitz des Beklagten in Bochum. Gegen Barzahlung erhielt der Beklagte das Fahrzeug mit sämtlichen Papieren und Schlüsseln. Die Beteiligten unterzeichneten einen schriftlichen Kaufvertrag über einen privaten Gebrauchtwagenkauf, in dem der namentlich bezeichnete Verkäufer einen Wohnsitz in Rheine vorgab und sich mit Angaben eines serbischen Personalausweises auswies.

Nachdem der Beklagte den Kläger unter Hinweis auf seinen vermeintlichen Fahrzeugerwerb kontaktiert hatte, erfuhren die Beteiligten von der Abwicklung der Betrugsgeschäfte unter dem Namen des unbeteiligten Dritten. Sie stritten daraufhin über das Eigentum an dem Fahrzeug, dessen wirksame Übereignung an den unbeteiligten Dritten der Kläger in Abrede stellte, während sich der Beklagte u.a. auf einen gutgläubigen Erwerb berief.

Der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat den Rechtsstreit in seinem am 22.02.2016 verkündeten Urteil zu Gunsten des Klägers entschieden.

Der Kläger habe, so der 5. Zivilsenat, sein Eigentum an dem Fahrzeug durch die von ihm getätigte Veräußerung nicht verloren. Das Fahrzeug sei nicht wirksam an einen Geschäftspartner übereignet worden. Auf Käuferseite habe im vorliegenden Fall ein Vertretergeschäft vorgelegen. Dieses habe der Kläger mit dem Namensträger, das sei der an den Betrugsgeschäften unbeteiligte Dritte gewesen, als Erwerber abschließen wollen. Mit dem Namensträger sei aber keine wirksame Vereinbarung zustande gekommen. Er habe die handelnden Personen zu dem Erwerbsgeschäft weder bevollmächtigt noch das Geschäft nachträglich genehmigt.

Das Eigentum an dem Fahrzeug habe der Beklagte bei seinem Erwerbsgeschäft nicht vom berechtigten Kläger und auch nicht gutgläubig von einem Nichtberechtigten erworben. Ein gutgläubiger Erwerb komme nicht in Betracht, wenn dem Käufer bekannt oder infolge grober Fahrlässigkeit unbekannt sei, dass die Sache nicht dem Veräußerer gehöre. Hiervon sei im vorliegenden Fall auszugehen. Dem Beklagten hätte sich aufdrängen müssen, dass das Kraftfahrzeug nicht dem Verkäufer gehörte und dieser nicht zur Veräußerung befugt gewesen sei. Beim Erwerb eines Kraftfahrzeuges müsse sich der Erwerber die Zulassungsbescheinigung Teil II, den früheren Kraftfahrzeugbrief, vorlegen lassen. Mit Hilfe der dortigen Eintragungen habe er die Möglichkeit, eine Veräußerungsbefugnis des Fahrzeugbesitzers beim eingetragenen Fahrzeughalter zu hinterfragen. Auch wenn in diesem Zusammenhang der Veräußerer im Besitz des Fahrzeuges und der Zulassungsbescheinigung sei, sei der Erwerber bösgläubig, wenn besondere Umstände seinen Verdacht erregen müssten und er diese Umstände unbeachtet lasse. Das treffe auf den Beklagten zu. Der Beklagte habe den ihm vorgelegten Originalfahrzeugpapieren entnehmen können, dass der ihm gegenüber tretende Veräußerer nicht der letzte Fahrzeughalter sei. Die Angaben des Internetangebots und auch der dem Beklagten vorgelegte schriftliche Kaufvertrag hätten zudem gegen einen Verkauf durch einen gewerblichen Händler gesprochen. Aufgrund dieser Umstände habe der Beklagte weitere Nachforschungen anstellen müssen. Auf die Verfügungsbefugnis eines Kraftfahrzeughändlers habe er nicht vertrauen können, weil der Verkauf nicht im Rahmen eines ordnungsgemäßen Kraftfahrzeughandels erfolgt sei.

  • Rechtsstreit 5 U 69/16 Oberlandesgericht Hamm:

Der Kläger aus Bremen verkaufte im Mai 2015 seinen PKW Mercedes Benz E 200 CDI für 26.800 Euro an einen namentlich genannten Käufer aus Hannover. In den Fahrzeugpapieren war die Ehefrau des Klägers als Halterin vermerkt. Ein persönlicher Kontakt zwischen den Kaufvertragsparteien fand nicht statt. Auf eine Verkaufsanzeige des Klägers im Internet hatte sich – dies ergaben die späteren Ermittlungen – ein Dritter unter dem Namen des vermeintlichen Käufers beim Kläger gemeldet. Die Beteiligten schlossen sodann einen schriftlichen Kaufvertrag, der den Namensträger als Käufer auswies, vereinbarten eine Überweisung des Kaufpreises auf das Konto des Klägers sowie die Abholung des Fahrzeuges durch ein beauftragtes Transportunternehmen. Noch am Tage der Vertragsunterzeichnung erhielt der Kläger eine gefälschte Bankbescheinigung, die bestätigte, dass der genannte Namensträger den Kaufpreis auf das Konto des Klägers überwiesen habe. Im Vertrauen hierauf händigte der Kläger dem Transportunternehmen das Fahrzeug nebst Schlüsseln und Papieren aus, welches es sodann bei einem anderen Empfänger als dem Namensträger ablieferte. Den Kaufpreis erhielt der Kläger nicht. Er erstattete Strafanzeige, sein Fahrzeug wurde zur Fahndung ausgeschrieben.

Bereits zuvor, wenige Tage nach der Abgabe des Fahrzeugs durch den Kläger, kaufte der Beklagte aus Gelsenkirchen das Fahrzeug auf einem Gebrauchtwagenmarkt in Essen zum Kaufpreis von 15.500 Euro, den er dem Verkäufer, der einen serbischen Reisepass vorzeigen konnte, in bar überließ. Mit dem Fahrzeug übernahm der Beklagte die Fahrzeugpapiere und Schlüssel. Beim späteren Versuch, das zwischenzeitlich abgemeldete Fahrzeug auf den Namen des Beklagten anzumelden, wurde das mittlerweile zur Fahndung ausgeschriebene Fahrzeug von der Polizei sichergestellt.

In dem daraufhin in erster Instanz vor dem Landgericht Essen geführten Zivilprozess (Az. 8 O 213/15 LG Essen) haben die Parteien über das Eigentum an dem Fahrzeug gestritten. Mit Urteil vom 19.04.2016 hat das Landgericht Essen das fortbestehende Eigentum des Klägers bestätigt und einen gutgläubigen Erwerb des Beklagten verneint.

Die Berufung des Beklagten gegen dieses Urteil ist erfolglos geblieben.

Nach der Anhörung der Parteien in der mündlichen Berufungsverhandlung vom 05.12.2016 hat der 5. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm auf die Erfolglosigkeit der Berufung hingewiesen.

Der Kläger habe, so der Senat, das Eigentum an dem Mercedes Benz nicht verloren. Es liege keine wirksame Übereignung an den im Kaufvertrag namentlich genannten Kaufinteressenten vor, da dieser das Vertretergeschäft nicht bevollmächtigt und auch nicht nachträglich genehmigt habe. Zudem habe der in dem Vertrag vereinbarte Eigentumsvorbehalt den Eigentumswechsel verhindert.

Der Beklagte seinerseits habe das Eigentum an dem Fahrzeug bei seinem späteren Erwerbsgeschäft nicht gutgläubig erworben. Aufgrund des Umstandes, dass die Ehefrau des Klägers und nicht der Verkäufer des Beklagten als Fahrzeughalter in den Fahrzeugpapieren eingetragen gewesen sei, habe eine Nachforschungspflicht des Beklagten bestanden, der er nicht ausreichend nachgekommen sei. Er habe letztlich allein einer nicht überprüften Äußerung des Verkäufers geglaubt, nach welcher dieser das Fahrzeug von einer Frau erworben habe, die es unbedingt habe verkaufen wollen.

Nach dem erteilten rechtlichen Hinweis hat der Beklagte die Berufung in der mündlichen Verhandlung zurückgenommen.

Fischer riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

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Marcus Fischer
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