(Kiel) Wer infol­ge einer schwa­chen Bla­se plötz­lich star­ken Harn­drang ver­spürt und des­we­gen die zuläs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit so über­schrei­tet, dass nach der Buß­geld­ka­ta­log­ver­ord­nung (BKatV) ein Regel­fahr­ver­bot zu ver­hän­gen ist, ist regel­mä­ßig auch mit dem Fahr­ver­bot zu belegen.

Ob die durch eine Bla­sen­schwä­che her­vor­ge­ru­fe­ne Situa­ti­on aus­nahms­wei­se ein Abse­hen vom Fahr­ver­bot recht­fer­tigt, hat der Buß­geld­rich­ter im Ein­zel­fall fest­zu­stel­len. Auf die­se Rechts­la­ge hat der 4. Senat für Buß­geld­sa­chen des Ober­lan­des­ge­richts Hamm mit Beschluss vom 10.10.2017 in einer Buß­geld­sa­che hin­ge­wie­sen, die nach der Ent­schei­dung des Senats vom Amts­ge­richt Pader­born erneut zu ver­han­deln ist.

Dar­auf ver­weist der Lim­bur­ger Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Klaus Schmidt-Strunk, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts Hamm vom 3.11.2017 zu sei­nem Beschluss vom 10.10.2017 (4 RBs 326/17).

Der sei­ner­zeit 61 Jah­re alte Betrof­fe­ne aus Pader­born befuhr im Febru­ar 2017 mit sei­nem PKW Audi die Bun­des­stra­ße 68. Er über­schritt die außer­orts zuläs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit um 29 km/h. Hier­für beleg­te ihn die Buß­geld­be­hör­de mit einer Geld­bu­ße von 80 Euro und ver­häng­te gemäß § 4 Abs. 2 S. 2 BKatV ein ein­mo­na­ti­ges Fahr­ver­bot, weil der Betrof­fe­ne bereits im Novem­ber 2016 wegen einer Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung von 28 km/h außer­orts mit einem Buß­geld belegt wor­den war.

In der Ver­hand­lung der Buß­geld­sa­che vor dem Amts­ge­richt trug der Betrof­fe­ne — unwi­der­legt — vor, er ver­fü­ge nach einer Pro­sta­ta­ope­ra­ti­on nur noch über eine ein­ge­schränk­te Kon­ti­nenz. Zu der Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung sei es gekom­men, als er wäh­rend der Fahrt einen star­ken, schmerz­haf­ten Harn­drang ver­spürt habe, so dass er nur noch dar­auf fokus­siert gewe­sen sei, “rechts ran fah­ren” zu kön­nen. Auf­grund des dich­ten Ver­kehrs auf der Bun­des­stra­ße habe er aller­dings zunächst kei­ne Gele­gen­heit zum Anhal­ten fin­den können.

In sei­nem Urteil vom 02.06.2017 (Az. 77 OWi 121/17 AG Pader­born) beließ es das Amts­ge­richt Pader­born bei der Geld­bu­ße von 80 Euro und dem ange­ord­ne­ten Regel­fahr­ver­bot. Der Betrof­fe­ne habe, so das Amts­ge­richt, kei­ne Tat­sa­chen vor­ge­tra­gen, die ein Abse­hen vom Fahr­ver­bot recht­fer­ti­gen könnten.

Die gegen das amts­ge­richt­li­che Urteil vom Betrof­fe­nen ein­ge­leg­te Rechts­be­schwer­de war — vor­läu­fig — erfolg­reich. Der 4. Senat für Buß­geld­sa­chen des Ober­lan­des­ge­richts Hamm hat das ange­foch­te­ne Urteil im Rechts­fol­gen­aus­spruch mit den zu Grun­de lie­gen­den Fest­stel­lun­gen auf­ge­ho­ben und die Sache zur erneu­ten Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Amts­ge­richt zurückverwiesen.

Die Begrün­dung des ange­foch­te­nen Urteils zum Rechts­fol­gen­aus­spruch wei­se einen Erör­te­rungs­man­gel zulas­ten des Betrof­fe­nen auf, so der Senat. Es sei in der Recht­spre­chung aner­kannt, dass ein sehr star­ker Drang zur Ver­rich­tung der Not­durft, der durch eine beson­de­re kör­per­li­che Dis­po­si­ti­on des Betrof­fe­nen bedingt und der ursäch­lich für die Geschwin­dig­keits­über­schrei­tung sei, einen Grund dar­stel­len kön­ne, vom Regel­fahr­ver­bot abzu­se­hen. Dies sei aber kei­nes­wegs der Nor­mal­fall. Der blo­ße Umstand einer bestimm­ten kör­per­li­chen Dis­po­si­ti­on rei­che inso­weit noch nicht, andern­falls erhal­te der betrof­fe­ne Per­so­nen­kreis gleich­sam einen “Frei­brief” für pflicht­wid­ri­ges Ver­hal­ten im Stra­ßen­ver­kehr. Grund­sätz­lich müs­se ein Betrof­fe­ner mit einer sol­chen kör­per­li­chen Dis­po­si­ti­on sei­ne Fahrt ent­spre­chend pla­nen, gewis­se Unwäg­bar­kei­ten (wie etwa Stau, Umlei­tun­gen etc.) in sei­ne Pla­nun­gen ein­stel­len und ent­spre­chen­de Vor­keh­run­gen tref­fen oder ggfls. auf anfäng­lich auf­ge­tre­te­nen Harn- oder Stuhl­drang recht­zei­tig reagie­ren, damit ihn ein star­ker Drang zur Ver­rich­tung der Not­durft nicht zu pflicht­wid­ri­gem Ver­hal­ten ver­lei­te. Aus­ge­hend hier­von müs­se der Buß­geld­rich­ter die nähe­ren Umstän­de einer sol­chen Fahrt auch in die Erwä­gun­gen zur Rechts­fol­gen­be­mes­sung ein­be­zie­hen, was das ange­foch­te­ne Urteil im vor­lie­gen­den Fall nicht erken­nen lasse.

Bei der erneu­ten Ver­hand­lung der Buß­geld­sa­che wer­de der Tat­rich­ter die Umstän­de zu berück­sich­ti­gen haben, unter denen sich der Betrof­fe­ne zu der Fahrt ent­schlos­sen habe, und zu klä­ren haben, wie der Betrof­fe­ne auf sei­nen Harn­drang wäh­rend der Fahrt habe reagie­ren kön­nen. Wei­ter wer­de auch zu prü­fen sein, ob das Auf­tre­ten eines drin­gen­den Harn­drangs eine Situa­ti­on sei, in wel­che der Betrof­fe­ne häu­fi­ger kom­me. In die­sem Fall müs­se er sich hier­auf ent­spre­chend ein­stel­len und es wür­de das Maß sei­ner Pflicht­wid­rig­keit gera­de zu erhö­hen, wenn er gleich­wohl ein Fahr­zeug füh­re, obwohl er — wie er selbst ange­ge­ben habe — wegen quä­len­den Harn­drang so “abge­lenkt” gewe­sen sei, dass er der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit kei­ne Beach­tung mehr habe schen­ken können.

Schmidt-Strunk emp­fahl, dies beach­ten und in der­ar­ti­gen Fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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