(Kiel) Der Bun­des­ge­richts­hof hat sich erst­mals zu der Fra­ge geäu­ßert, ob dem Käu­fer eines mit einem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA189 aus­ge­stat­te­ten Gebraucht­wa­gens, der sein Fahr­zeug erst nach Bekannt­wer­den des soge­nann­ten Die­sel­skan­dals gekauft hat, Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen die Volks­wa­gen AG zuste­hen, weil in dem zur Besei­ti­gung einer unzu­läs­si­gen Prüf­stands­er­ken­nungs­soft­ware ent­wi­ckel­ten Soft­ware-Update nach der Behaup­tung des Käu­fers ein “Ther­m­ofens­ter” imple­men­tiert ist und das Update nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Kraft­stoff­ver­brauch und den Ver­schleiß hat. 

Der Senat hat in die­sem Fall Scha­dens­er­satz­an­sprü­che ver­neint, so der Lim­bur­ger Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Klaus Schmidt-Strunk, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 11.03.2021 zu sei­nem Beschluss vom 9. März 2021 – VI ZR 889/20.

  • Sach­ver­halt:

Der Klä­ger erwarb am 16. Sep­tem­ber 2016 einen gebrauch­ten VW Tigu­an 2.0 TDI, der mit einem Die­sel­mo­tor des Typs EA189, Schad­stoff­norm Euro 5 aus­ge­stat­tet ist. Die Beklag­te ist Her­stel­le­rin des Wagens. Der Motor war mit einer Soft­ware ver­se­hen, die erkennt, ob sich das Fahr­zeug auf einem Prüf­stand im Test­be­trieb befin­det, und in die­sem Fall in einen Stick­oxid-opti­mier­ten Modus schal­tet. Es erga­ben sich dadurch auf dem Prüf­stand gerin­ge­re Stick­oxid-Emis­si­ons­wer­te als im nor­ma­len Fahr­be­trieb. Die Stick­oxid­grenz­wer­te der Euro 5‑Norm wur­den nur auf dem Prüf­stand eingehalten.

Vor dem Erwerb des Fahr­zeugs hat­te die Beklag­te in einer Ad-hoc-Mit­tei­lung die Öffent­lich­keit über Unre­gel­mä­ßig­kei­ten der Soft­ware bei Die­sel­mo­to­ren vom Typ EA189 infor­miert und mit­ge­teilt, dass sie dar­an arbei­te, die Abwei­chun­gen zwi­schen Prüf­stands­wer­ten und rea­lem Fahr­be­trieb mit tech­ni­schen Maß­nah­men zu besei­ti­gen, und dass sie hier­zu mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) in Kon­takt ste­he. Das KBA wer­te­te die Pro­gram­mie­rung als unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung und ver­pflich­te­te die Beklag­te, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der betrof­fe­nen Fahr­zeu­ge durch geeig­ne­te Maß­nah­men wie­der­her­zu­stel­len. In der Fol­ge stell­te die Beklag­te bei Fahr­zeu­gen mit dem betrof­fe­nen Motor­typ ein Soft­ware-Update bereit, das im Dezem­ber 2016 auch bei dem Fahr­zeug des Klä­gers auf­ge­spielt wurde.

Der Klä­ger behaup­tet, dass mit dem Soft­ware-Update eine neue unzu­läs­si­ge Abschalt­vor­rich­tung in Form eines “Ther­m­ofens­ters” imple­men­tiert wor­den sei. Außer­dem habe das Update nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Kraft­stoff­ver­brauch und den Ver­schleiß des Fahrzeugs.

Mit sei­ner Kla­ge ver­langt der Klä­ger von der Beklag­ten im Wesent­li­chen die Erstat­tung des gezahl­ten Kauf­prei­ses abzüg­lich einer Nut­zungs­ent­schä­di­gung, Zug um Zug gegen Her­aus­ga­be und Über­eig­nung des Fahrzeugs.

  • Bis­he­ri­ger Prozessverlauf: 

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Das Ober­lan­des­ge­richt hat die Beru­fung des Klä­gers zurück­ge­wie­sen und die Revi­si­on nicht zuge­las­sen. Mit der Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de will der Klä­ger die Zulas­sung der Revi­si­on erreichen.

  • Ent­schei­dung des Senats: 

Der VI. Zivil­se­nat hat die Nicht­zu­las­sungs­be­schwer­de des Klä­gers zurückgewiesen.

Das Beru­fungs­ge­richt hat einen Scha­dens­er­satz­an­spruch aus §§ 826, 31 BGB zu Recht ver­neint, weil das Ver­hal­ten der Beklag­ten gegen­über dem Klä­ger nicht als sit­ten­wid­rig anzu­se­hen ist. Wie der Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20, Rn. 30 ff.) ent­schie­den hat, ist für die Bewer­tung eines schä­di­gen­den Ver­hal­tens als sit­ten­wid­rig im Sin­ne von § 826 BGB in einer Gesamt­schau des­sen Gesamt­cha­rak­ter zu ermit­teln und das gesam­te Ver­hal­ten des Schä­di­gers bis zum Ein­tritt des Scha­dens beim kon­kre­ten Geschä­dig­ten zugrun­de zu legen. Dies wird ins­be­son­de­re dann bedeut­sam, wenn die ers­te poten­zi­ell scha­densur­säch­li­che Hand­lung und der Ein­tritt des Scha­dens zeit­lich aus­ein­an­der­fal­len und der Schä­di­ger sein Ver­hal­ten zwi­schen­zeit­lich nach außen erkenn­bar geän­dert hat. Durch die vom Beru­fungs­ge­richt fest­ge­stell­te Ver­hal­tens­än­de­rung der Beklag­ten wur­den wesent­li­che Ele­men­te, die das Unwert­ur­teil ihres bis­he­ri­gen Ver­hal­tens gegen­über bis­he­ri­gen Käu­fern begrün­de­ten (vgl. hier­zu Senats­ur­teil vom 25. Mai 2020 — VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), der­art rela­ti­viert, dass der Vor­wurf der Sit­ten­wid­rig­keit bezo­gen auf ihr Gesamt­ver­hal­ten gera­de gegen­über dem Klä­ger nicht mehr gerecht­fer­tigt ist.

Dies gilt auch, wenn die Behaup­tung des Klä­gers als zutref­fend zugrun­de gelegt wird, mit dem Soft­ware-Update sei eine neue unzu­läs­si­ge Abschalt­vor­rich­tung in Form eines Ther­m­ofens­ters imple­men­tiert wor­den, die die Abgas­rück­füh­rung bei Außen­tem­pe­ra­tu­ren unter 15 und über 33 Grad Cel­si­us deut­lich redu­zie­re. Der dar­in lie­gen­de — unter­stell­te — Geset­zes­ver­stoß reicht in der gebo­te­nen Gesamt­be­trach­tung nicht aus, um das Gesamt­ver­hal­ten der Beklag­ten als sit­ten­wid­rig zu qua­li­fi­zie­ren. Die Appli­ka­ti­on eines sol­chen Ther­m­ofens­ters ist nicht mit der Ver­wen­dung der Prüf­stands­er­ken­nungs­soft­ware zu ver­glei­chen, die die Beklag­te zunächst zum Ein­satz gebracht hat­te. Wäh­rend letz­te­re unmit­tel­bar auf die arg­lis­ti­ge Täu­schung der Typ­ge­neh­mi­gungs­be­hör­de abziel­te und einer unmit­tel­ba­ren arg­lis­ti­gen Täu­schung der Fahr­zeug­er­wer­ber in der Bewer­tung gleich­steht, ist der Ein­satz einer tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems nicht von vorn­her­ein durch Arg­list geprägt. Sie führt nicht dazu, dass bei erkann­tem Prüf­stands­be­trieb eine ver­stärk­te Abgas­rück­füh­rung akti­viert und der Stick­oxid­aus­stoß gegen­über dem nor­ma­len Fahr­be­trieb redu­ziert wird, son­dern arbei­tet in bei­den Fahr­si­tua­tio­nen im Grund­satz in glei­cher Weise.

Bei die­ser Sach­la­ge hät­te sich die Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens der Beklag­ten durch die Imple­men­ta­ti­on des Ther­m­ofens­ters nur dann fort­ge­setzt, wenn zu dem — unter­stell­ten — Ver­stoß gegen Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Ver­ord­nung 715/2007/EG wei­te­re Umstän­de hin­zu­trä­ten, die das Ver­hal­ten der für sie han­deln­den Per­so­nen als beson­ders ver­werf­lich erschei­nen lie­ßen. Dies wür­de jeden­falls vor­aus­set­zen, dass die­se Per­so­nen bei der Ent­wick­lung und/oder Ver­wen­dung der tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems in dem Bewusst­sein han­del­ten, eine unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Geset­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men. Anhalts­punk­te hier­für waren aber nicht dar­ge­tan. Es war ins­be­son­de­re nicht dar­ge­tan, dass die Beklag­te das KBA im Zusam­men­hang mit der Ent­wick­lung und Geneh­mi­gung des Soft­ware-Updates arg­lis­tig getäuscht haben könnte.

Eine abwei­chen­de Beur­tei­lung war auch nicht des­halb gebo­ten, weil das von der Beklag­ten ent­wi­ckel­te Soft­ware-Update nach der — unter­stell­ten — Behaup­tung des Klä­gers nega­ti­ve Aus­wir­kun­gen auf den Kraft­stoff­ver­brauch und den Ver­schleiß der betrof­fe­nen Fahr­zeu­ge hat. Die­ser Umstand führt in der gebo­te­nen Gesamt­be­trach­tung nicht dazu, dass das Gesamt­ver­hal­ten der Beklag­ten als sit­ten­wid­rig zu wer­ten wäre.

Schmidt-Strunk emp­fahl, dies beach­ten und in der­ar­ti­gen Fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

 

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