(Kiel) Der unter ande­rem für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus uner­laub­ten Hand­lun­gen, die den Vor­wurf einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung bei einem Kraft­fahr­zeug mit Die­sel­mo­tor zum Gegen­stand haben, zustän­di­ge VII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat in vier gleich­zei­tig ver­han­del­ten Sachen über Scha­dens­er­satz­an­sprü­che gegen die Daim­ler AG im Zusam­men­hang mit dem soge­nann­ten “Ther­mofens­ter” ent­schie­den und hier­bei die kla­ge­ab­wei­sen­den Ent­schei­dun­gen der Vor­in­stan­zen jeweils bestätigt.

Dar­auf ver­weist der Lim­bur­ger Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Klaus Schmidt-Strunk, Vize­prä­si­dent des VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die ent­spre­chen­de Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) zu sei­nen Urtei­len vom 16. Sep­tem­ber 2021 — VII ZR 190/20, 286/20, 321/20 und 322/20.

  • Sach­ver­halt:

Die Klä­ger neh­men die beklag­te Fahr­zeug­her­stel­le­rin auf Scha­dens­er­satz wegen Ver­wen­dung einer angeb­lich unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung für die Abgas­rei­ni­gung in Anspruch.

Der Klä­ger im Ver­fah­ren VII ZR 190/20 erwarb im Janu­ar 2016 einen gebrauch­ten, von der Beklag­ten her­ge­stell­ten Pkw Mer­ce­des-Benz C 250 CDI zum Preis von 16.900 €. Der Klä­ger im Ver­fah­ren VII ZR 286/20 erwarb im Juli 2012 einen gebrauch­ten, von der Beklag­ten her­ge­stell­ten Pkw Mer­ce­des-Benz GLK 250 CDI 4M BE zum Preis von 43.950 €. Der Klä­ger im Ver­fah­ren VII ZR 321/20 erwarb im Novem­ber 2016 einen gebrauch­ten, von der Beklag­ten her­ge­stell­ten Pkw Mer­ce­des-Benz GLK 220 CDI 4M BE zum Preis von 23.760 €. Der Klä­ger im Ver­fah­ren VII ZR 322/20 erwarb im August 2016 einen gebrauch­ten, von der Beklag­ten her­ge­stell­ten Pkw Mer­ce­des-Benz B 180 zum Preis von 20.900 €.

Die vier Fahr­zeu­ge sind jeweils mit einem Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he OM 651 aus­ge­stat­tet und unter­lie­gen kei­nem Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA). Für den jewei­li­gen Fahr­zeug­typ wur­de die Typ­ge­neh­mi­gung nach der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 mit der Schad­stoff­klas­se Euro 5 erteilt. Die Abgas­rei­ni­gung erfolgt über die Abgas­rück­füh­rung, bei der ein Teil der Abga­se zurück in das Ansaug­sys­tem des Motors geführt wird und dort erneut an der Ver­bren­nung teil­nimmt. Bei küh­le­ren Tem­pe­ra­tu­ren wird die Abgas­rück­füh­rung zurück­ge­fah­ren (“Ther­mofens­ter”), wobei zwi­schen den Par­tei­en strei­tig ist, bei wel­chen Außen-/La­de­luft­tem­pe­ra­tu­ren dies der Fall ist.

Die Klä­ger machen jeweils gel­tend, die Beklag­te habe das Ther­mofens­ter in Form einer ver­bo­te­nen Abschalt­vor­rich­tung exakt auf die Prüf­be­din­gun­gen im Neu­en Euro­päi­schen Fahr­zy­klus (NEFZ) abge­stimmt und so im Rah­men des Typ­ge­neh­mi­gungs­ver­fah­rens unter Vor­spie­ge­lung der Ein­hal­tung der gesetz­li­chen Grenz­wer­te die EG-Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung und die damit ein­her­ge­hen­de Betriebs­er­laub­nis erlangt. Mit ihren Kla­gen ver­lan­gen sie jeweils Zug um Zug gegen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs die Erstat­tung des Kauf­prei­ses unter Anrech­nung einer Nut­zungs­ent­schä­di­gung nebst Zin­sen, die Fest­stel­lung, dass sich die Beklag­te im Annah­me­ver­zug befin­det, sowie die Erstat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechtsanwaltskosten.

  • Bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

In allen vier Ver­fah­ren hat­ten die Kla­gen in den Vor­in­stan­zen kei­nen Erfolg. Mit ihren vom Beru­fungs­ge­richt jeweils zuge­las­se­nen Revi­sio­nen haben die Klä­ger ihre Kla­ge­zie­le weiterverfolgt.

  • Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Der Bun­des­ge­richts­hof hat mit sei­nen vier heu­te ver­kün­de­ten Urtei­len die Revi­sio­nen der Klä­ger zurückgewiesen.

Das Beru­fungs­ge­richt hat in allen vier Fäl­len einen Scha­dens­er­satz­an­spruch des jewei­li­gen Klä­gers aus § 826 BGB zu Recht ver­neint. Es hat zutref­fend ange­nom­men, das Ver­hal­ten der für die Beklag­te han­deln­den Per­so­nen sei nicht bereits des­halb als sit­ten­wid­rig zu qua­li­fi­zie­ren, weil sie den in Rede ste­hen­den Motor­typ auf­grund einer grund­le­gen­den unter­neh­me­ri­schen Ent­schei­dung mit einer tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems (Ther­mofens­ter) aus­ge­stat­tet und in den Ver­kehr gebracht haben.

Dabei konn­te zuguns­ten der Klä­ger in tat­säch­li­cher und recht­li­cher Hin­sicht unter­stellt wer­den, dass eine der­ar­ti­ge tem­pe­ra­tur­be­ein­fluss­te Steue­rung der Abgas­rück­füh­rung als unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung im Sin­ne von Art. 5 Abs. 2 Satz 1 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 zu qua­li­fi­zie­ren ist. Denn der dar­in lie­gen­de — unter­stell­te — Geset­zes­ver­stoß wäre für sich genom­men nicht geeig­net, den Ein­satz die­ser Steue­rungs­soft­ware durch die für die Beklag­te han­deln­den Per­so­nen als beson­ders ver­werf­lich erschei­nen zu las­sen. Viel­mehr wür­de die Annah­me von Sit­ten­wid­rig­keit in die­sen Fäl­len jeden­falls vor­aus­set­zen, dass die­se Per­so­nen bei der Ent­wick­lung und/oder Ver­wen­dung der tem­pe­ra­tur­ab­hän­gi­gen Steue­rung des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems in dem Bewusst­sein han­del­ten, eine unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Geset­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men. Ein sol­ches Vor­stel­lungs­bild der für die Beklag­te han­deln­den Per­so­nen hat das Beru­fungs­ge­richt rechts­feh­ler­frei ver­neint. Die hier­ge­gen gerich­te­ten Rügen der Revi­sio­nen blie­ben erfolglos.

Unab­hän­gig davon, dass schon damit der objek­ti­ve Tat­be­stand der Sit­ten­wid­rig­keit des Ver­hal­tens der für die Beklag­te han­deln­den Per­so­nen nicht gege­ben war, hat das Beru­fungs­ge­richt jeweils in revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den­der Wei­se ein beson­ders ver­werf­li­ches Ver­hal­ten auch im Hin­blick auf eine unsi­che­re Rechts­la­ge bei der Beur­tei­lung der Zuläs­sig­keit des Ther­mofens­ters aus­ge­schlos­sen. Bei einer Abschalt­ein­rich­tung, die — wie hier — im Grund­satz auf dem Prüf­stand in glei­cher Wei­se arbei­tet wie im rea­len Fahr­be­trieb und bei der die Fra­ge der Zuläs­sig­keit nicht ein­deu­tig und unzwei­fel­haft beant­wor­tet wer­den kann, kann bei Feh­len sons­ti­ger Anhalts­punk­te nicht ohne Wei­te­res unter­stellt wer­den, dass die für die Beklag­te han­deln­den Per­so­nen in dem Bewusst­sein han­del­ten, eine unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung zu ver­wen­den, und den dar­in lie­gen­den Geset­zes­ver­stoß bil­li­gend in Kauf nah­men. Die Wür­di­gung des Beru­fungs­ge­richts, die Rechts­la­ge hin­sicht­lich der Zuläs­sig­keit eines Ther­mofens­ters sei zwei­fel­haft gewe­sen, war revi­si­ons­recht­lich nicht zu bean­stan­den. Eine mög­li­cher­wei­se nur fahr­läs­si­ge Ver­ken­nung der Rechts­la­ge genügt aber für die Fest­stel­lung der beson­de­ren Ver­werf­lich­keit des Ver­hal­tens der Beklag­ten nicht.

Eben­so fehl­te es an dem erfor­der­li­chen Schä­di­gungs­vor­satz. Allein aus der — unter­stell­ten — objek­ti­ven Unzu­läs­sig­keit der Abschalt­ein­rich­tung in Form des Ther­mofens­ters folgt kein Vor­satz hin­sicht­lich der Schä­di­gung der Fahr­zeug­käu­fer. Im Hin­blick auf die unsi­che­re Rechts­la­ge — hin­sicht­lich des unstrei­tig in den Fahr­zeu­gen der Klä­ger ver­bau­ten Ther­mofens­ter fehlt es bis heu­te an einer behörd­li­chen Still­le­gung oder einem Zwang zu Umrüs­tungs­maß­nah­men — war nicht dar­ge­tan, dass sich den für die Beklag­te täti­gen Per­so­nen die Gefahr einer Schä­di­gung des Klä­gers hät­te auf­drän­gen müssen.

Die von den Klä­gern gel­tend gemach­ten Ansprü­che erge­ben sich auch nicht aus einem ande­ren Rechts­grund. Die Beklag­te haf­tet ins­be­son­de­re nicht gemäß § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV oder den Nor­men der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007. Wie der Bun­des­ge­richts­hof bereits in sei­nen Urtei­len vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19; vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 063/2020) und 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20; vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 101/2020) aus­ge­führt hat, liegt das Inter­es­se, nicht zur Ein­ge­hung einer unge­woll­ten Ver­bind­lich­keit ver­an­lasst zu wer­den, nicht im Auf­ga­ben­be­reich die­ser Bestim­mun­gen. Die Revi­sio­nen gaben kei­nen Anlass, davon abzu­wei­chen. Auch sonst sind im Streit­fall kei­ner­lei Anhalts­punk­te ersicht­lich, dass der Gesetz- und Ver­ord­nungs­ge­ber mit den genann­ten Vor­schrif­ten einen Schutz der all­ge­mei­nen Hand­lungs­frei­heit und spe­zi­ell des wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts der ein­zel­nen Käu­fer bezweck­te und an die — auch fahr­läs­si­ge — Ertei­lung einer inhalt­lich unrich­ti­gen Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung einen gegen den Her­stel­ler gerich­te­ten Anspruch auf Rück­ab­wick­lung eines mit einem Drit­ten geschlos­se­nen Kauf­ver­trags knüp­fen wollte.

Schmidt-Strunk emp­fahl, dies beach­ten und in der­ar­ti­gen Fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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