(Kiel) Der unter ande­rem für das Recht der uner­laub­ten Hand­lung zustän­di­ge VI. Zivil­se­nat hat einen Fall ent­schie­den, in dem der Käu­fer einen mit einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung ver­se­he­nen Gebraucht­wa­gen der Mar­ke Audi erst nach Bekannt­wer­den des soge­nann­ten Die­sel­skan­dals gekauft hat. Der Senat hat in die­sem Fall Scha­dens­er­satz­an­sprü­che verneint.

Dar­auf ver­weist der Wetz­la­rer Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Roma­nus Schlemm, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Bun­des­ge­richts­hof (BGH) zu sei­nem Urteil vom 8. Dezem­ber 2020 — VI ZR 244/20.

  • Sach­ver­halt:

Der Klä­ger erwarb im Mai 2016 von einem Auto­händ­ler einen gebrauch­ten Audi Q5 2.0 TDI zu einem Kauf­preis von 32.600 €, der mit einem Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet ist. Die Beklag­te ist Her­stel­le­rin des Motors. Die im Zusam­men­hang mit die­sem Motor ver­wen­de­te Soft­ware führ­te zu einer Opti­mie­rung der Stick­stoff-Emis­si­ons­wer­te im behörd­li­chen Prüf­ver­fah­ren. Die Soft­ware bewirk­te, dass eine Prü­fungs­si­tua­ti­on, in der der Abgas­aus­stoß gemes­sen wird, erkannt und die Abgas­auf­be­rei­tung für deren Dau­er opti­miert wur­de. Im nor­ma­len Betrieb außer­halb des Prüf­stands war die­se Abgas­auf­be­rei­tung abgeschaltet.

Vor dem Erwerb des Fahr­zeugs, am 22. Sep­tem­ber 2015, hat­te die Beklag­te in einer Ad-hoc-Mit­tei­lung die Öffent­lich­keit über Unre­gel­mä­ßig­kei­ten der Soft­ware bei Die­sel­mo­to­ren vom Typ EA189, die auch in ande­ren Die­sel-Fahr­zeu­gen des Volks­wa­gen Kon­zerns vor­han­den sei, infor­miert und mit­ge­teilt, dass sie dar­an arbei­te, die Abwei­chun­gen zwi­schen Prüf­stands­wer­ten und rea­lem Fahr­be­trieb mit tech­ni­schen Maß­nah­men zu besei­ti­gen, und dass sie hier­zu mit dem Kraft­fahrt-Bun­des­amt in Kon­takt ste­he. Das Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) wer­te­te die Pro­gram­mie­rung als unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung und ver­pflich­te­te die Beklag­te, die Vor­schrifts­mä­ßig­keit der betrof­fe­nen Fahr­zeu­ge durch geeig­ne­te Maß­nah­men wie­der­her­zu­stel­len. Das dar­auf­hin von der Beklag­ten ent­wi­ckel­te Soft­ware-Update wur­de im Janu­ar 2017 bei dem Fahr­zeug des Klä­gers aufgespielt.

Mit sei­ner Kla­ge ver­langt der Klä­ger im Wesent­li­chen Ersatz des für das Fahr­zeug gezahl­ten Kauf­prei­ses abzüg­lich gezo­ge­ner Nut­zun­gen nebst Zin­sen Zug um Zug gegen Rück­ga­be des Fahrzeugs.

  • Bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Auf die Beru­fung des Klä­gers hat das Ober­lan­des­ge­richt der Kla­ge im Wesent­li­chen stattgegeben.

  • Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Die Revi­si­on der Beklag­ten hat­te Erfolg. Der Bun­des­ge­richts­hof hat das kla­ge­ab­wei­sen­de Urteil des Land­ge­richts wiederhergestellt.

Wie der Senat bereits mit Urteil vom 30. Juli 2020 (VI ZR 5/20, Rn. 30 ff.) ent­schie­den hat, ist für die Bewer­tung eines schä­di­gen­den Ver­hal­tens als sit­ten­wid­rig im Sin­ne von § 826 BGB in einer Gesamt­schau des­sen Gesamt­cha­rak­ter zu ermit­teln und das gesam­te Ver­hal­ten des Schä­di­gers bis zum Ein­tritt des Scha­dens beim kon­kre­ten Geschä­dig­ten zugrun­de zu legen. Dies wird ins­be­son­de­re dann bedeut­sam, wenn die ers­te poten­zi­ell scha­densur­säch­li­che Hand­lung und der Ein­tritt des Scha­dens zeit­lich aus­ein­an­der­fal­len und der Schä­di­ger sein Ver­hal­ten zwi­schen­zeit­lich nach außen erkenn­bar geän­dert hat. Durch die vom Beru­fungs­ge­richt fest­ge­stell­te Ver­hal­tens­än­de­rung der Beklag­ten wur­den wesent­li­che Ele­men­te, die das Unwert­ur­teil ihres bis­he­ri­gen Ver­hal­tens gegen­über bis­he­ri­gen Käu­fern begrün­de­ten (vgl. hier­zu Senats­ur­teil vom 25. Mai 2020 — VI ZR 252/19, Rn. 16 ff.), der­art rela­ti­viert, dass der Vor­wurf der Sit­ten­wid­rig­keit bezo­gen auf ihr Gesamt­ver­hal­ten gera­de gegen­über dem Klä­ger nicht mehr gerecht­fer­tigt ist.

Dies gilt auch in Anse­hung des Umstands, dass der Klä­ger im Streit­fall ein Fahr­zeug der Mar­ke Audi und nicht der Mar­ke Volks­wa­gen erwor­ben hat. Die Beklag­te hat ihre Ver­hal­tens­än­de­rung nicht auf ihre Kern­mar­ke Volks­wa­gen beschränkt, son­dern im Gegen­teil bereits in ihrer Ad-hoc-Mit­tei­lung vom 22. Sep­tem­ber 2015 dar­auf hin­ge­wie­sen, dass die betref­fen­de Steue­rungs­soft­ware auch in ande­ren Die­sel-Fahr­zeu­gen des Volks­wa­gen Kon­zerns vor­han­den und dass der Motor vom Typ EA189 auf­fäl­lig sei, ohne dies­be­züg­lich eine Ein­schrän­kung auf eine bestimm­te Mar­ke des Kon­zerns vor­zu­neh­men. Mit die­sem Schritt an die Öffent­lich­keit und der damit ver­bun­de­nen Mit­tei­lung, mit den zustän­di­gen Behör­den und dem KBA bereits in Kon­takt zu ste­hen, hat die Beklag­te ihre stra­te­gi­sche unter­neh­me­ri­sche Ent­schei­dung, das KBA und letzt­lich die Fahr­zeug­käu­fer zu täu­schen, auch bezüg­lich der wei­te­ren Kon­zern­mar­ken ersetzt durch die Stra­te­gie, Unre­gel­mä­ßig­kei­ten ein­zu­räu­men und in Zusam­men­ar­beit mit dem KBA Maß­nah­men zur Besei­ti­gung des gesetz­wid­ri­gen Zustands zu erar­bei­ten. Damit war das Ver­hal­ten der Beklag­ten gene­rell, d.h. hin­sicht­lich aller Kon­zern­mar­ken, nicht mehr dar­auf ange­legt, das KBA und arg­lo­se Erwer­ber zu täuschen.

Dass der Klä­ger im Rah­men des Ver­kaufs­ge­sprächs eine im Hin­blick auf die Ver­wen­dung des VW-Motors EA189 und die zuge­hö­ri­ge Abgas­pro­ble­ma­tik unzu­tref­fen­de Aus­kunft (“Wir sind Audi und nicht VW”) erhal­ten haben mag, könn­te unter Umstän­den eine eigen­stän­di­ge Haf­tung des Auto­hau­ses begrün­den, ist aber nicht der Beklag­ten zuzurechnen.

Schlemm riet, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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