(Kiel) Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat ent­schie­den, dass ein Motor­her­stel­ler, der nicht zugleich Fahr­zeug­her­stel­ler ist, Käu­fern der vom soge­nann­ten Die­sel­skan­dal betrof­fe­nen Fahr­zeu­gen nur dann haf­tet, wenn er ent­we­der selbst im Sin­ne der §§ 826, 31 BGB sit­ten­wid­rig vor­sätz­lich gehan­delt hat oder wenn er dem Fahr­zeug­her­stel­ler nach § 823 Abs. 2, § 830 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV vor­sätz­lich Bei­hil­fe zu des­sen vor­sätz­li­chem Inver­kehr­brin­gen eines Kraft­fahr­zeugs mit einer inhalt­lich unrich­ti­gen Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung geleis­tet hat. 

Dar­auf ver­weist der Moer­ser Fach­an­walt für Straf- und Ver­kehrs­recht Ber­til Jakobson, Lei­ter des Fach­aus­schus­ses „Unfall­re­gu­lie­rung“ des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des BGH zu sei­nem Urteil vom 10. Juli 2023 – VIa ZR 1119/22.

  • Sach­ver­halt und bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

Der Klä­ger nimmt die beklag­te Motor­her­stel­le­rin, die nicht zugleich Fahr­zeug­her­stel­le­rin ist, wegen der Ver­wen­dung unzu­läs­si­ger Abschalt­ein­rich­tun­gen in einem Kraft­fahr­zeug auf Scha­dens­er­satz in Anspruch.

Der Klä­ger kauf­te am 9. April 2019 von einem Händ­ler ein gebrauch­tes Kraft­fahr­zeug eines ande­ren Fahr­zeug­her­stel­lers, das mit einem von der Beklag­ten ent­wi­ckel­ten und her­ge­stell­ten Motor der Bau­rei­he EA 897 (Euro 6) aus­ge­rüs­tet ist. Das Fahr­zeug war bereits zuvor von einem vom Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) ange­ord­ne­ten Rück­ruf wegen einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung betrof­fen. Ein von der Beklag­ten zur Besei­ti­gung der vom KBA bean­stan­de­ten Abschalt­ein­rich­tung erstell­tes Soft­ware-Update hat­te das KBA am 1. August 2018 freigegeben.

Die im Wesent­li­chen auf Erstat­tung des Kauf­prei­ses abzüg­lich des Wer­tes gezo­ge­ner Nut­zun­gen Zug um Zug gegen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs gerich­te­te Kla­ge hat vor dem Land­ge­richt weit­ge­hend Erfolg gehabt. Auf die Beru­fung der Beklag­ten hat das Beru­fungs­ge­richt die Kla­ge ins­ge­samt abge­wie­sen, weil der Klä­ger weder nach §§ 826, 31 BGB noch nach § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV Scha­dens­er­satz von der Beklag­ten ver­lan­gen kön­ne. Das gel­te auch, soweit der Klä­ger sein Begeh­ren auf das Vor­han­den­sein eines Ther­m­ofens­ters stüt­ze. Mit der vom Beru­fungs­ge­richt zuge­las­se­nen Revi­si­on hat der Klä­ger die Wie­der­her­stel­lung des erst­in­stanz­li­chen Urteils begehrt.

  • Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die Revi­si­on des Klä­gers zurück­ge­wie­sen, weil er auf­grund der bin­den­den Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­ge­richts davon aus­zu­ge­hen hat­te, der Beklag­ten fal­le weder selbst eine sit­ten­wid­ri­ge vor­sätz­li­che Schä­di­gung des Klä­gers zur Last noch habe sie vor­sätz­lich Bei­hil­fe dazu geleis­tet, dass der Fahr­zeug­her­stel­ler das Fahr­zeug vor­sätz­lich mit einer inhalt­lich unrich­ti­gen Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung – hier: bezo­gen auf ein in das Fahr­zeug ver­bau­tes Ther­m­ofens­ter – in den Ver­kehr gebracht habe.

Zwar steht, wie der Bun­des­ge­richts­hof nach Erlass des Beru­fungs­ur­teils mit Urtei­len von 26. Juni 2023 ent­schie­den hat (vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 100/23 vom 26. Juni 2023), dem Käu­fer eines mit einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung im Sin­ne des Art. 5 Abs. 2 der Ver­ord­nung (EG) Nr. 715/2007 ver­se­he­nen Kraft­fahr­zeugs unter den Vor­aus­set­zun­gen des § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV ein Anspruch gegen den Fahr­zeug­her­stel­ler auf Ersatz des Dif­fe­renz­scha­dens zu.

Die Son­der­pflicht, eine mit den (unions-)gesetzlichen Vor­ga­ben kon­ver­gie­ren­de Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung aus­zu­ge­ben, trifft indes­sen nur den Fahr­zeug­her­stel­ler, nicht den Motor­her­stel­ler. Der Bun­des­ge­richts­hof hat die Haf­tung nach § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV unter Berück­sich­ti­gung der Recht­spre­chung des EuGH in des­sen Urteil vom 21. März 2023 (C‑100/21, NJW 2023, 1111 Rn. 78 ff., 91) in sei­nen Urtei­len vom 26. Juni 2023 auf die Ertei­lung einer unrich­ti­gen Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung gestützt, die der Fahr­zeug­her­stel­ler in sei­ner Eigen­schaft als Inha­ber einer EG-Typ­ge­neh­mi­gung gemäß Art. 18 Abs. 1 der Richt­li­nie 2007/46/EG jedem Fahr­zeug bei­legt und die gemäß Art. 3 Nr. 36 der Richt­li­nie 2007/46/EG nicht nur die Über­ein­stim­mung des erwor­be­nen Fahr­zeugs mit dem geneh­mig­ten Typ, son­dern auch die Ein­hal­tung aller Rechts­ak­te beschei­nigt. Die Haf­tung nach § 823 Abs. 2 BGB in Ver­bin­dung mit § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV knüpft an die Ertei­lung einer unzu­tref­fen­den Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung durch den Fahr­zeug­her­stel­ler an. Der Motor­her­stel­ler kann des­halb, weil er die Über­ein­stim­mungs­be­schei­ni­gung nicht aus­gibt, nach den all­ge­mei­nen und durch das Uni­ons­recht unan­ge­tas­te­ten Grund­sät­zen des deut­schen Delikts­rechts weder Mit­tä­ter einer Vor­satz­tat des Fahr­zeug­her­stel­lers noch mit­tel­ba­rer (Vorsatz-)Täter hin­ter dem (gege­be­nen­falls fahr­läs­sig han­deln­den) Fahr­zeug­her­stel­ler sein, weil ihn nicht die hier­zu erfor­der­li­che Son­der­pflicht trifft.

Eine bei Son­der­de­lik­ten mög­li­che Betei­li­gung der Beklag­ten als Motor­her­stel­le­rin im Sin­ne des § 830 Abs. 2 BGB an einer delikt­i­schen Schä­di­gung des Fahr­zeug­her­stel­lers, die eben­falls geeig­net gewe­sen wäre, ihre delikt­i­sche Haf­tung zu begrün­den, kam nach den nicht beacht­lich ange­grif­fe­nen Fest­stel­lun­gen des Beru­fungs­ge­richts nicht in Betracht. Zwar kann Bei­hil­fe auch zu Son­der­de­lik­ten geleis­tet wer­den, bei denen der Gehil­fe nicht Täter sein kann. Vor­aus­set­zung ist aller­dings nicht nur, dass der Gehil­fe mit dop­pel­tem Vor­satz hin­sicht­lich der frem­den rechts­wid­ri­gen Tat und der eige­nen Unter­stüt­zungs­leis­tung gehan­delt hat. Bedin­gung einer Betei­li­gung ist viel­mehr wei­ter eine Vor­satz­tat des Fahr­zeug­her­stel­lers. Die vor­sätz­li­che För­de­rung einer fahr­läs­si­gen Tat erfüllt die Vor­aus­set­zun­gen des § 830 Abs. 2 BGB nicht. Eine Vor­satz­tat des Fahr­zeug­her­stel­lers hat das Beru­fungs­ge­richt, ohne dass die Revi­si­on dem beacht­lich ent­ge­gen­ge­tre­ten wäre, nicht festgestellt.

Jakobson riet, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. — www.vdvka.de — ver­wies.  

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Ber­til Jakobson
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Vize­prä­si­dent des DSV Deut­scher Straf­ver­tei­di­ger Ver­band e. V.

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