(Kiel) Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat ent­schie­den, dass die in den All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen einer Finan­zie­rungs­bank ent­hal­te­ne Klau­sel über die Siche­rungs­ab­tre­tung von Ansprü­chen des Käu­fers und Dar­le­hens­neh­mers gegen den Her­stel­ler eines Die­sel­fahr­zeugs Ansprü­che auf Scha­dens­er­satz aus uner­laub­ter Hand­lung erfasst und auch dann unwirk­sam ist, wenn der Käu­fer nicht Ver­brau­cher, son­dern Unter­neh­mer ist.

Dar­auf ver­weist der Nürn­ber­ger Rechts­an­walt und Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Oli­ver Fou­quet, Lei­ter des Fach­aus­schus­ses „Werkstatt/Reparatur/Mängelbeseitigung“ des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel unter Hin­weis auf die Pres­se­mit­tei­lung des BGH zu sei­nem Urteil vom 3. Juli 2023 – VIa ZR 155/23.

  • Sach­ver­halt und bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

Der Klä­ger nimmt die beklag­te Fahr­zeug­her­stel­le­rin wegen der Ver­wen­dung unzu­läs­si­ger Abschalt­ein­rich­tun­gen in zwei Kraft­fahr­zeu­gen auf Scha­dens­er­satz in Anspruch.

Am 20. August 2018 und am 11. März 2019 kauf­te der Klä­ger unter sei­ner Fir­ma von der Beklag­ten jeweils einen Neu­wa­gen. Die Fahr­zeu­ge sind mit Die­sel­mo­to­ren der Bau­rei­he OM 651 (Schad­stoff­klas­se: EURO 6) aus­ge­stat­tet. Den Kauf­preis finan­zier­te der Klä­ger in bei­den Fäl­len mit­tels eines Dar­le­hens bei einer Bank. Den Dar­le­hens­ver­trä­gen lagen die All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen der Bank für Unter­neh­mer zugrun­de. Dort hieß es unter anderem:

II. Sicher­hei­ten

Der Dar­le­hens­neh­mer räumt der Bank zur Siche­rung aller gegen­wär­ti­gen und bis zur Rück­zah­lung des Dar­le­hens noch ent­ste­hen­den sowie beding­ten und befris­te­ten Ansprü­che der Bank aus der Geschäfts­ver­bin­dung ein­schließ­lich einer etwa­igen Rück­ab­wick­lung, gleich aus wel­chem Rechts­grund, Sicher­hei­ten gemäß nach­ste­hen­den Zif­fern 1 und 2 ein. […]

[…]

  1. Abtre­tung von sons­ti­gen Ansprüchen

Der Dar­le­hens­neh­mer tritt fer­ner hier­mit fol­gen­de — gegen­wär­ti­ge und zukünf­ti­ge — Ansprü­che an die Bank ab, die die­se Abtre­tung annimmt:

- […]

- […]

- gegen den Ver­käu­fer für den Fall einer Rück­gän­gig­ma­chung des finan­zier­ten Ver­tra­ges oder Her­ab­set­zung der Ver­gü­tung. 

- gegen die […] [Beklag­te], […], gleich aus wel­chem Rechts­grund. Aus­ge­nom­men von der Abtre­tung sind Gewähr­leis­tungs­an­sprü­che aus Kauf­ver­trag des Dar­le­hens­neh­mers gegen die […] [Beklag­te] oder einen Ver­tre­ter der […] [Beklag­ten]. Der Dar­le­hens­neh­mer hat der Bank auf Anfor­de­rung jeder­zeit die Namen und Anschrif­ten der Dritt­schuld­ner mitzuteilen.

[…]

  1. Rück­ga­be der Sicherheiten

Die Bank ver­pflich­tet sich, nach Weg­fall des Siche­rungs­zwe­ckes (alle Zah­lun­gen unan­fecht­bar erfolgt) sämt­li­che Siche­rungs­rech­te (Abschnitt II. Ziff. 1, 2) zurück­zu­über­tra­gen […] Bestehen meh­re­re Sicher­hei­ten, hat die Bank auf Ver­lan­gen des Dar­le­hens­neh­mers schon vor­her nach ihrer Wahl ein­zel­ne Sicher­hei­ten oder Tei­le davon frei­zu­ge­ben, falls deren rea­li­sier­ba­rer Wert 120% der gesi­cher­ten Ansprü­che der Bank überschreitet. […]”

Der Klä­ger hat die Beklag­te in ers­ter Instanz in ers­ter Linie unter dem Gesichts­punkt des Rück­tritts vom Kauf­ver­trag und in zwei­ter Linie unter dem Gesichts­punkt einer delikt­i­schen Schä­di­gung wegen des Inver­kehr­brin­gens der Fahr­zeu­ge auf Zah­lung an sich, Frei­stel­lung von sei­nen Dar­le­hens­ver­bind­lich­kei­ten, Fest­stel­lung des Annah­me­ver­zugs und Erstat­tung vor­ge­richt­lich ver­aus­lag­ter Rechts­an­walts­kos­ten in Anspruch genom­men. Das Land­ge­richt hat die Kla­ge abge­wie­sen. Das Beru­fungs­ge­richt hat die Beru­fung des Klä­gers, der zu dem ers­ten Ter­min zur münd­li­chen Ver­hand­lung vor dem Beru­fungs­ge­richt nicht erschie­nen ist, durch Ver­säum­nis­ur­teil zurück­ge­wie­sen. Dage­gen hat der Klä­ger Ein­spruch ein­ge­legt und den Rechts­streit nach Ver­äu­ße­rung der Fahr­zeu­ge an einen Drit­ten mit Aus­nah­me sei­ner Anträ­ge auf Erstat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten für erle­digt erklärt. Das Beru­fungs­ge­richt hat das Ver­säum­nis­ur­teil auf­recht­erhal­ten. Mit sei­ner vom Beru­fungs­ge­richt inso­weit zuge­las­se­nen Revi­si­on ver­folgt der Klä­ger sei­ne zuletzt gestell­ten Anträ­ge wei­ter, soweit er sie auf sei­ne delikt­i­sche Schä­di­gung durch das Inver­kehr­brin­gen der Fahr­zeu­ge stützt. Die Beklag­te hat sich im Ver­lauf des Revi­si­ons­ver­fah­rens der Tei­l­er­le­di­gungs­er­klä­rung des Klä­gers angeschlossen.

  • Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Der Bun­des­ge­richts­hof hat das Urteil des Beru­fungs­ge­richts zu den noch rechts­hän­gi­gen Anträ­gen auf Erstat­tung vor­ge­richt­li­cher Rechts­an­walts­kos­ten wegen zulas­ten des Klä­gers began­ge­ner uner­laub­ter Hand­lun­gen auf­ge­ho­ben und die Sache inso­weit zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Beru­fungs­ge­richt zurückverwiesen.

Das Beru­fungs­ge­richt hat zwar rechts­feh­ler­frei erkannt, bei den Siche­rungs­ab­tre­tun­gen von Ansprü­chen gegen die Beklag­te “gleich aus wel­chem Rechts­grund” han­de­le es sich um vor­for­mu­lier­te All­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen, die Bestand­teil der Dar­le­hens­ver­trä­ge gewor­den sei­en. Wei­ter im Ergeb­nis rechts­feh­ler­frei hat das Beru­fungs­ge­richt die Klau­seln als nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB kon­troll­fä­hig erach­tet. Nach § 307 Abs. 3 Satz 1 BGB sind Gegen­stand der Inhalts­kon­trol­le sol­che Bestim­mun­gen in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen, durch die von Rechts­vor­schrif­ten abwei­chen­de oder die­se ergän­zen­de Rege­lun­gen ver­ein­bart wer­den. Die Klau­seln, die der Bun­des­ge­richts­hof ohne Bin­dung an die Aus­le­gung des Beru­fungs­ge­richts selbst aus­le­gen kann, sind so zu ver­ste­hen, mit Aus­nah­me von Gewähr­leis­tungs­an­sprü­chen aus Kauf­ver­trag erfass­ten sie sämt­li­che mit dem Erwerb des Fahr­zeugs in Zusam­men­hang ste­hen­de Ansprü­che des Klä­gers gegen die Beklag­te. Ein­be­zo­gen sind auch Ansprü­che aus uner­laub­ter Hand­lung und Ansprü­che nach dem Pro­dukt­haf­tungs­ge­setz, die dem Klä­ger und Dar­le­hens­neh­mer bei der Ver­wen­dung der gekauf­ten Fahr­zeu­ge ent­ste­hen. Die Klau­seln erfas­sen damit in Abwei­chung von der gesetz­li­chen Rege­lung auch Ren­ten­an­sprü­che aus § 843 BGB bzw. aus § 9 Prod­HaftG, § 843 Abs. 2 bis 4 BGB im Fal­le einer aus der Ver­wen­dung der Fahr­zeu­ge ent­ste­hen­den Kör­per­ver­let­zung oder Gesund­heits­be­schä­di­gung. Sol­che Ansprü­che sind nach § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO bis zu einer anders­lau­ten­den Ent­schei­dung durch das Voll­stre­ckungs­ge­richt nicht pfänd­bar und damit nach § 400 BGB nicht abtretbar.

Das Beru­fungs­ge­richt hat aber unzu­tref­fend ange­nom­men, die Abtre­tungs­klau­seln sei­en wirk­sam, so dass der Klä­ger nicht aktiv­le­gi­ti­miert sei. Das Beru­fungs­ge­richt hat dabei über­se­hen, dass die Klau­seln einer Inhalts­kon­trol­le nach § 307 Abs. 1 und 2 Nr.  1, §§ 134, 400 BGB, § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ohne Wer­tungs­mög­lich­keit nicht stand­hal­ten. Sie wei­chen zulas­ten des Klä­gers von zwin­gen­den Vor­schrif­ten ab. Uner­heb­lich ist, ob der Klä­ger als Unter­neh­mer oder als Ver­brau­cher gehan­delt hat. Die § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB sind zwin­gen­des Recht. § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist auch auf Ren­ten anwend­bar, die Selb­stän­di­gen gezahlt wer­den. Inso­weit ist der per­sön­li­che Schutz­be­reich wei­ter als sonst bei Regeln über die Pfän­dung von Arbeitseinkommen.

Die wegen ihrer Abwei­chung von § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO, § 400 BGB ohne Wer­tungs­mög­lich­keit unwirk­sa­men for­mu­lar­mä­ßi­gen Siche­rungs­ab­tre­tun­gen sämt­li­cher Ansprü­che gegen die Beklag­te mit Aus­nah­me sol­cher aus kauf­recht­li­cher Gewähr­leis­tung kön­nen nicht mit der Maß­ga­be auf­recht­erhal­ten wer­den, dass ande­re Ansprü­che als sol­che auf Zah­lung von Ren­ten, die wegen einer Ver­let­zung des Kör­pers oder der Gesund­heit zu ent­rich­ten sind, wirk­sam abge­tre­ten sind. Ein sol­ches Ver­ständ­nis lie­fe auf eine gel­tungs­er­hal­ten­de Reduk­ti­on hin­aus, die nach stän­di­ger Recht­spre­chung des Bun­des­ge­richts­hofs unzu­läs­sig ist. Die Klau­seln kön­nen auch nicht in einen inhalt­lich zuläs­si­gen und einen inhalt­lich unzu­läs­si­gen Teil zer­legt werden.

Das Beru­fungs­ge­richt wird nach Zurück­ver­wei­sung nun­mehr in der Sache zu klä­ren haben, ob die Beklag­te dem Klä­ger aus uner­laub­ter Hand­lung haftet.

Fou­quet riet, dies zu beach­ten und in allen Die­sel­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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