(Kiel) Das Grund­recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung (BVerfGE 65, 1) steht der Anwen­dung des Video-Brü­cken-Abstands­mess­ver­fah­rens ViBrAM-BAMAS, wel­ches die Poli­zei in Baden-Würt­tem­berg zur Über­wa­chung des Sicher­heits­ab­stan­des ins­be­son­de­re auf Auto­bah­nen ver­wen­det, nicht entgegen. 

 

Dar­auf ver­weist der Kie­ler Rechts­an­walt Jens Klar­mann, Prä­si­dent des VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel unter Hin­weis auf einen am 09.02.2010 ver­öf­fent­lich­ten Beschluss des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Stutt­gart vom 29.01.2010, Az.: 4 Ss 1525/09.

In dem Fall befuhr der Betrof­fe­ne am 26. Janu­ar 2009 mit sei­nem Pkw eine Auto­bahn in Baden-Würt­tem­berg. Hier­bei benutz­te er die lin­ke von den drei Fahr­spu­ren. Bei einer Geschwin­dig­keit von 111 km/h hielt er zum vor­aus­fah­ren­den Fahr­zeug einen Sicher­heits­ab­stand von ledig­lich 15 m und somit weni­ger als 3/10 des hal­ben Tacho­wer­tes ein. Die­ser Ver­kehrs­ver­stoß wur­de mit­tels des Video-Brü­cken-Abstand­mess­ver­fah­rens ViBrAM-BAMAS festgestellt.

Das Amts­ge­richt hat gegen ihn des­we­gen eine Geld­bu­ße von 100,– € sowie ein Fahr­ver­bot von einem Monat fest­ge­setzt. Gegen die­se Ent­schei­dung hat der Betrof­fe­ne Rechts­be­schwer­de ein­ge­legt. Er rügt ins­be­son­de­re unter Beru­fung auf den Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts vom 11. August 2009 die Ver­wert­bar­keit der Videoaufzeichnung.

Das Ober­lan­des­ge­richt Stutt­gart hielt die Rechts­be­schwer­de jedoch für unbe­grün­det und ver­warf die­se, betont Klarmann.

Ent­ge­gen der Ansicht des Betrof­fe­nen ste­he der genann­te Beschluss des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts einer Ver­wert­bar­keit der Video­auf­nah­me im vor­lie­gen­den Fall nicht ent­ge­gen. Das Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richt habe in sei­ner Ent­schei­dung fest­ge­stellt, dass in der Video­auf­zeich­nung mit­tels des Ver­kehrs­kon­troll­sys­tems VKS ein Ein­griff in das all­ge­mei­ne Per­sön­lich­keits­recht aus Arti­kel 2 Abs. 1 GG i. V. m. Arti­kel 1 Abs. 1 GG in sei­ner Aus­prä­gung als Recht auf infor­ma­tio­nel­le Selbst­be­stim­mung lie­ge, da zur Ver­fol­gung von Ord­nungs­wid­rig­kei­ten von einer Auto­bahn­brü­cke aus alle durch­fah­ren­den Fahr­zeu­ge ver­deckt gefilmt wor­den sei­en. Dabei sei der jewei­li­ge Fah­rer erkenn­bar und iden­ti­fi­zier­bar auf­ge­nom­men wor­den. Eine vor­he­ri­ge Aus­wahl dahin gehend, ob der Betrof­fe­ne eines Ver­kehrs­ver­sto­ßes ver­däch­tig sei, habe nicht stattgefunden.

Das im vor­lie­gen­den Fall zur Anwen­dung gekom­me­ne Mess­ver­fah­ren „ViBrAM-BAMAS” sei mit dem Ver­fah­ren VKS 3.0 nicht ver­gleich­bar; da es ganz anders kon­zi­piert sei. Das Amts­ge­richt habe in dem ange­foch­te­nen Urteil zutref­fend fest­ge­stellt, dass beim Ver­fah­ren ViBrAM-BAMAS der flie­ßen­de Ver­kehr mit­tels einer auf einer Brü­cke, wel­che über die Auto­bahn führt, ange­brach­ten Video­ka­me­ra auf einer Län­ge von ca. 300 bis 500 m auf­ge­nom­men wer­de. Anhand die­ser Bil­der, auf denen weder die Iden­ti­tät des Fah­rers noch das Kenn­zei­chen sei­nes Fahr­zeu­ges erkenn­bar sei­en, ent­schei­de der Poli­zei­be­am­te, ob ein kon­kre­ter Ver­dacht der Nicht­ein­hal­tung des vor­ge­schrie­be­nen Abstan­des bestehe. Ist dies der Fall, schal­tet er eine zwei­te am Fahr­bahn­rand auf­ge­stell­te Kame­ra hin­zu, die das betref­fen­de Fahr­zeug auf­nimmt. Auf die­sen Bil­dern sind der Fah­rer (= jetzt der Betrof­fe­ne) und das Kenn­zei­chen des Fahr­zeu­ges erkenn­bar. Somit wur­den vor­lie­gend anders als in dem Fall, der der Ent­schei­dung des Bun­des­ver­fas­sungs­ge­richts zugrun­de liegt, Video­auf­zeich­nun­gen, auf denen die Iden­ti­tät des Fah­rers und das Kenn­zei­chen sicht­bar sind, erst dann gefer­tigt, nach­dem der Ver­dacht einer Ver­kehrs­ord­nungs­wid­rig­keit fest­ge­stellt wor­den war.

Die Rechts­grund­la­ge für die Anwen­dung des ViBrAM-BAMAS ‑Ver­fah­rens fin­de sich in § 100 h Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG. Den Aus­füh­run­gen des OLG Bam­berg für das in Bay­ern ver­wen­de­te Sys­tem VAMA, wel­ches dem Ver­fah­ren ViBrAM-BAMAS ähn­lich sei, schlie­ße sich der Senat hier an wie eben­so wie das Thü­rin­ger OLG für eine Geschwin­dig­keits­mess­an­la­ge und das Amts­ge­richt  Schwein­furt für ein ande­res nicht stan­dar­di­sier­tes Überwachungssystem.

Klar­mann emp­fahl, dies zu beach­ten und ggfs. recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. — www.vdvka.de — verwies.

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