OLG Hamm, Beschluss vom 28.01.2021, AZ 11 U 34/20

Aus­ga­be: 12–2020 / 1–2021

Der 11. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm hat­te sich in sei­nem Urteil vom 30.10.2020 (Az. 11 U 34/20) mit der Fra­ge zu befas­sen, wann eine Stadt dafür haf­ten muss, wenn ein Stra­ßen­baum umstürzt und hier­durch ein Fahr­zeug beschä­digt wird. 

Der kla­gen­de Eigen­tü­me­r­ei­nes Por­sche 911 Car­re­ra Cabrio­let aus Essen befuhr an einem Vor­mit­tag im Juni 2016die Kup­fer­dre­her Stra­ße in Essen. An die­sem Tag stürz­te ein hang­ab­wärts befind­li­cher Stämm­ling einer mehr­stäm­mi­gen, ca. 16 m hohen Esche quer über die Kup­fer­dre­her Stra­ße, nach­dem bereits eini­ge Zeit zuvor ein hang­auf­wärts –der Stra­ße abge­wandt –ste­hen­der Stämm­ling die­ser Esche abge­bro­chen war. Baum­kon­trol­leu­re der beklag­ten Stadt hat­ten im August 2015 und im April 2016 jeweils nach einer Sicht­prü­fung fest­ge­stellt, dass der Baum morsch war und Pilz­be­fall hat­te. Die Esche soll­te des­halb spä­tes­tens Ende Janu­ar 2017 gefällt wer­den. Der Klä­ger wirft der beklag­ten Stadt vor, nicht die erfor­der­li­chen Maß­nah­men getrof­fen zu haben, um Gefah­ren durch einen Abbruch des Stämm­lings zu ver­mei­den. Des­halb habe die­ser Stämm­ling auf sei­nen Por­sche stür­zen und die­sen beschä­di­gen können. 

Die beklag­te Stadt sei ihm gegen­über daher zur Zah­lung von Scha­dens­er­satz von mehr als 50.000 Euro–im Wesent­li­chen han­delt es sich hier­bei um Repa­ra­tur­kos­ten und die Ent­schä­di­gung für einen Nut­zungs­aus­fall –ver­pflich­tet.

Das Land­ge­richt Essen hat mit Urteil vom 09.01.2020(Az. 4 O 297/16 )dem Klä­ger Scha­dens­er­satz von gut 47.500 Euro zuge­spro­chen. Nach der Ver­neh­mung von Zeu­gen und der Anhö­rung von Sach­ver­stän­di­gen konn­te das Land­ge­richt ins­be­son­de­re davon aus­ge­hen, dass der Stämm­ling der Esche auf den Por­sche des Klä­gers gefal­len war und die durch die Baum­kon­trol­leu­re der beklag­ten Stadt erfolg­ten Sicht­prü­fun­gen nicht aus­rei­chend waren. Die Beru­fung der beklag­ten Stadt war nur zum Teil erfolg­reich. Zur Abwehr der von Stra­ßen­bäu­men aus­ge­hen­den Gefah­ren­müss­ten –wie der Senat in sei­nem Urteil aus­führt –die­je­ni­gen Maß­nah­men getrof­fen wer­den, die einer­seits zum Schutz gegen Ast­bruch und Umsturz erfor­der­lich sei­en, ande­rer­seits unter Berück­sich­ti­gung des umfang­rei­chen Baum­be­stands der Städ­te und Gemein­den die­sen auch zumut­bar sei­en. Schon aus öko­lo­gi­schen Grün­den sei eine vor­sorg­li­che Ent­fer­nung sämt­li­cher Bäu­me aus der Nähe von Stra­ßen und Geh­we­gen nicht zu rechtfertigen

Gewis­se Gefah­ren, die nicht durch mensch­li­ches Han­deln ent­stün­den, son­dern auf Gege­ben­hei­ten oder Gewal­ten der Natur beruh­ten, müss­ten als unver­meid­bar hin­ge­nom­men wer­den. Den­noch dürf­ten Anzei­chen nicht über­se­hen wer­den, die nach der Erfah­rung auf eine wei­te­re Gefahr durch den Baum hin­wei­sen wür­den. Vor die­sem Hin­ter­grund sei­en die blo­ßen Sicht­kon­trol­len durch die Baum­kon­trol­leu­re der beklag­ten Stadt unzu­rei­chend gewe­sen. Bei den von ihnen fest­ge­stell­ten Defekt­sym­pto­men und Krank­heits­an­zei­chen des Baumes–nämlich Schräg­stand, Pilz-befall und Mor­schung –wären wei­ter­ge­hen­de Unter­su­chun­gen unter Zuhil­fe­nah­me eines Son­dier­stabs erfor­der­lich gewe­sen. Hier­durch hät­te die Ursa­che für das Abbre­chen bei­der Stämm­lin­ge, näm­lich eine fort­ge­schrit­te­ne Fäul­nis­bil­dung, fest­ge­stellt wer­den müs­sen, wor­auf­hin die unver­züg­li­che Fäl­lung des Bau­mes inner­halb der nächs­ten 14 Tage hät­te ange­ord­net wer­den müs­sen. Dann wäre es nicht mehr dazu gekom­men, dass der Stämm­ling auf den Por­sche hät­te stür­zen kön­nen. Dem Klä­ger stün­de aller­dings der Höhe nach nur ein Anspruch auf Scha­dens­er­satz von gut 38.000 Euro zu, weil der vom Land­ge­richt zuge­spro­che­ne Scha­dens­be­trag wegen der von sei­nem –zum Scha­dens­zeit­punkt im Betrieb befind­li­chen –Fahr­zeug aus­ge­hen­den Betriebs­ge­fahr um 20 % zu min­dern sei.

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