OLG Cel­le, Beschluss vom 08.07.2020, AZ 14 U 27/20

1. Steht der vom Klä­ger gel­tend gemach­te Anspruch (hier: Ver­dienst­aus­fall) nur zur Höhe im Streit, wäh­rend der Anspruch dem Grun­de nach unstrei­tig ist, darf kein (Teil-)Grundurteil erge­hen (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 19. Febru­ar 1991 — X ZR 90/89). Lässt sich das Urteil des Erst­ge­richts inso­weit nicht als End­ur­teil auf­recht­erhal­ten, ist es (teil­wei­se) auf­zu­he­ben und die Sache an das Erst­ge­richt zurückzuverweisen.
2. Der Erlass eines Teil­ur­teils gem. § 301 Abs. 1 ZPO setzt die Teil­bar­keit des Streit­stof­fes, die Ent­schei­dungs­rei­fe eines Teils des Streit­ver­hält­nis­ses sowie — als unge­schrie­be­nes Merk­mal — die Unab­hän­gig­keit des Teil­ur­teils von der Ent­schei­dung des rest­li­chen Streits vor­aus. Ein Teil­ur­teil darf auch bei grund­sätz­li­cher Teil­bar­keit eines Streit­ge­gen­stands nur erge­hen, wenn die Gefahr ein­an­der wider­spre­chen­der Ent­schei­dun­gen – auch infol­ge abwei­chen­der Beur­tei­lung durch das Rechts­mit­tel­ge­richt – aus­ge­schlos­sen ist (vgl. u.a. BGH, Urteil vom 1. März 2016 — VI ZR 437/14). Steht die Haf­tung des in Anspruch genom­me­nen Unfall­geg­ners bzw. des Ver­si­che­rers dem Grun­de nach außer Streit, kann hin­sicht­lich ein­zel­ner, von­ein­an­der unab­hän­gi­ger Scha­dens­po­si­tio­nen (hier: Schmer­zens­geld und Haus­halts­füh­rungs­scha­den) durch abschlie­ßen­des Teil­ur­teil ent­schie­den und der Rechts­streit hin­sicht­lich der wei­te­ren Posi­tio­nen (hier: Ver­dienst­aus­fall) fort­ge­setzt werden.
3. Der Maß­stab für die bil­li­ge Ent­schä­di­gung i.S.v. § 253 BGB muss unter Berück­sich­ti­gung ihrer Aus­gleichs- und Genug­tu­ungs­funk­ti­on für jeden ein­zel­nen Fall durch Wür­di­gung und Wägung aller ihn prä­gen­den Umstan­de neu gewon­nen wer­den; das auf die­se Wei­se gewon­ne­ne Ergeb­nis ist anschlie­ßend im Hin­blick auf den Gleich­heits­grund­satz anhand von in sog. Schmer­zens­geld­ta­bel­len erfass­ten Ver­gleichs­fäl­len zu über­prü­fen, wobei aber die dort aus­ge­wie­se­nen Beträ­ge schon we-gen der meist nur begrenzt ver­gleich­ba­ren Ver­let­zungs­bil­der nicht sche­ma­tisch über­nom­men wer­den dür­fen. Die Höhe des zuzu­bil­li­gen­den Schmer­zens­gel­des hängt ent­schei­dend vom Maß der durch das haf­tungs­be­grün­den­de Ereig­nis ver­ur­sach­ten kör­per­li­chen und see­li­schen Beein­träch­ti­gun­gen des Geschä­dig­ten ab, so-weit die­se bei Schluss der münd­li­chen Ver­hand­lung bereits ein­ge­tre­ten sind oder zu die­sem Zeit­punkt mit ihnen als künf­ti­ger Ver­let­zungs­fol­ge ernst­lich gerech­net wer­den muss. Die Schwe­re die­ser Belas­tun­gen wird vor allem durch die Stär­ke, Hef­tig­keit und Dau­er der erlit­te­nen Schmer­zen und Funk­ti­ons­be­ein­träch­ti­gun­gen bestimmt; beson­de­res Gewicht kommt etwa­igen Dau­er­fol­gen der Ver­let­zun­gen zu (vgl. Senat, Urteil vom 19. Febru­ar 2020 — 14 U 69/19, juris-Rn. 53 — 54 mwN).
4. Für den Haus­halts­füh­rungs­scha­den sind die kon­kre­ten Umstän­de des Falls maß­geb­lich. Zur Dar­le­gung eines Haus­halts­füh­rungs­scha­dens muss der Geschä­dig­te daher im Ein­zel­nen dar­le­gen, wel­che Tätig­kei­ten, die vor dem Unfall im Haus­halt ver­rich­tet wur­den, unfall­be­dingt nicht mehr oder nicht mehr voll­stän­dig aus­ge­übt wer­den kön­nen; ein blo­ßer all­ge­mei­ner Ver­weis auf eine bestimm­te pro­zen­tua­le Min­de­rung der Erwerbs­fä­hig­keit oder der Fähig­keit zur Haus­halts­füh­rung genügt nicht (Senat, Urteil vom 14. Dezem­ber 2006 — 14 U 73/06, juris). Der Haus­halts­füh­rungs­scha­den ist nicht anhand von Tabel­len­wer­ken, son­dern auf der Basis der kon­kre­ten Lebens­ver­hält­nis­se des Geschä­dig­ten zu ermit­teln (Senat, Urteil vom 26. Juni 2019 — 14 U 154/18, VersR 2019, 1157, NJW-RR 2019, 1306, juris-Rn. 156ff. mwN, 173).
5. Eine zeit­li­che Begren­zung für den Ersatz des Haus­halts­füh­rungs­scha­dens, z. B. bis zum 75. Lebens­jahr, ist nicht vor­zu­neh­men, sofern kei­ne kon­kre­ten Umstän­de in der Per­son des Geschä­dig­ten vor­lie­gen, die eine Begren­zung recht­fer­ti­gen wür­den (vgl. OLG Frank­furt, Urteil vom 24. März 2020 — 22 U 82/18, juris-Rn. 11 mwN). Eine Ten­o­rie­rung, nach der die Zah­lun­gen „auf Lebens­zeit“ zu erbrin­gen sei­en, ist unbe­denk­lich und steht ins­be­son­de­re einem etwa­igen spä­te­ren Vor­ge­hen des Schä­di­gers nach § 323 ZPO (Abän­de­rungs­kla­ge) nicht entgegen.
6. Das Gesetz sieht die Anhö­rung einer Par­tei zur Sach­ver­halts­auf­klä­rung vor, § 141 Abs. 1 ZPO. Das Gericht muss ver­su­chen, den Sach­ver­halt umfas­send auf­zu­klä­ren; dass hier­bei gegen­über dem schrift­sätz­li­chen Vor­brin­gen neu­er Tat­sa­chen­vor­trag aus­ge­löst wer­den kann, liegt im Wesen der Aufklärung.

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