OLG Hamm, Beschluss vom 27.05.2021, AZ 7 U 27/19

Aus­ga­be: 4–5/2021

• 1.
Wird ein in Deutsch­land woh­nen­der Deut­scher bei einem Unfall durch ein Fahr­zeug eines Bel­gi­ers in Bel­gi­en an sei­nem Eigen­tum geschä­digt, kann er gemäß Art. 13 Abs. 2, Art. 11 Abs. 1 lit. b EuGV­VO den in Bel­gi­en sit­zen­den Kfz-Pflicht­haft­pflicht­ver­si­che­rer an sei­nem Wohn­sitz in Deutsch­land ver­kla­gen, weil das (nach Art. 18 Rom-II maß­geb­li­che bel­gi­sche Recht) in Art. 150 des Bel­gi­schen Ver­si­che­rungs­ge­set­zes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Geset­zes über die Kraft­fahrt­haft­pflicht­ver­si­che­rung vom 21.11.1989 eben­so wie das deut­sche Recht in § 115 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 VVG, § 1 PflVG einen Direkt­an­spruch gegen den Kfz-Pflicht­haft­pflicht­ver­si­che­rer vorsieht.
• 2.
Mate­ri­ell anwend­bar bei einem sol­chen Ver­kehrs­un­fall in Bel­gi­en ist, da Deutsch­land das Haa­ger Über­ein­kom­men über Stra­ßen­ver­kehrs­un­fäl­le von 1971 nicht rati­fi­ziert hat, nach dem Tat­ort­prin­zip bel­gi­sches Recht gemäß Art. 4 Abs. 1 Rom-II, wenn — wie hier — kei­ne Rechts­wahl im Sin­ne von Art. 14 Rom-II getrof­fen wur­de sowie Art. 4 Abs. 2 und Abs. 3 Rom-II nicht anwend­bar sind.
• 3.
Das bel­gi­sche Recht sah jeden­falls im Jahr 2017 kei­ne dem deut­schen Recht ent­spre­chen­de Gefähr­dungs­haf­tung wie in § 7 Abs. 1 StVG, son­dern in Art. 1382, 1383 des bel­gi­schen Code Civil nur eine Ver­schul­dens­haf­tung vor.
• 4.
Der bel­gi­sche Kfz-Pflicht­haft­pflicht­ver­si­che­rer hat gemäß Art. 150 des Bel­gi­schen Ver­si­che­rungs­ge­set­zes vom 04.04.2014 und Art. 3 des Geset­zes über die Kraft­fahrt­haft­pflicht­ver­si­che­rung vom 21.11.1989 nicht nur für die Ver­schul­dens­haf­tung des Kraft­fahr­zeug­ei­gen­tü­mers ein­zu­ste­hen, son­dern auch für die Ver­schul­dens­haf­tung des Kraftfahrzeugführers.
• 5.
Die­se Haf­tung für den Kraft­fahr­zeug­füh­rer ist indes nach Art. 62 des Geset­zes über Ver­si­che­run­gen vom 04.04.2014 aus­ge­schlos­sen, wenn das Scha­dens­er­eig­nis vor­sätz­lich her­bei­ge­führt wird.
• 6.
Man­gels (Gefährdungs-)Haftung des Eigen­tü­mers nach bel­gi­schem Recht kommt es mit­hin anders als nach § 103 VVG für den Haf­tungs­aus­schluss nicht dar­auf an, dass der Kraft­fahr­zeug­füh­rer dem Eigen­tü­mer / Hal­ter als Ver­si­che­rungs­neh­mer im Rah­men der Kfz-Haft­pflicht­ver­si­che­rung (anders als in der Kas­ko­ver­si­che­rung) auch nicht als Reprä­sen­tant zuzu­rech­nen ist (vgl. dazu BGH Urt. v. 18.12.2012 — VI ZR 55/12, NJW 2013, 1163 Rn. 20; BGH Urt. v. 20.5.1969 — IV ZR 616/68, NJW 1969, 1387; BGH Urt. v. 10.7.1996 — IV ZR 287/95, r+s 1996, 385; Leh­mann, r+s 2019, 361, 366). Eine etwai­ge Ein­wil­li­gung der kla­gen­den Par­tei muss der bel­gi­sche Pflicht­haft­pflicht­ver­si­che­rer daher nicht beweisen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2021/7…