OLG Hamm, Beschluss vom 27.07.2021, AZ 7 U 24/20

Aus­ga­be: 06–07/2021

• 1.
Genügt der mit­tel­ba­re Besit­zer als Unfall­ge­schä­dig­ter bei ein­fa­chem Bestrei­ten sei­ner Eigen­tü­merstel­lung durch den Schä­di­ger sei­ner sekun­dä­ren Dar­le­gungs­last, indem er zu den Umstän­den sei­nes Besitz- und Eigen­tums­er­werbs kon­kret und schlüs­sig vor­trägt, ist es im Hin­blick auf die Ver­mu­tung des § 1006 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1 BGB am Schä­di­ger, gemäß § 292 ZPO den Beweis des Gegen­teils zu füh­ren, was hin­rei­chen­den Tat­sa­chen­vor­trag und Beweis­an­tritt erfor­dert (in Abgren­zung zu OLG Hamm Beschl. v. 7.5.2021 – 7 U 9/21, Ls. 1).
• 2.
Ein Wech­sel in der Beset­zung des Gerichts nach Durch­füh­rung der Beweis­auf­nah­me erfor­dert – so auch hier – nicht gene­rell die Wie­der­ho­lung der Beweis­erhe­bung, so dass ein nach­fol­gen­des Urteil nicht gene­rell unter Ver­stoß gegen den Unmit­tel­bar­keits­grund­satz nach §§ 309, 355 ZPO ergeht (BGH Urt. v. 18.10.2016 – XI ZR 145/14, BGHZ 212, 286 Rn. 28; BGH Beschl. v. 25.1.2018 – V ZB 191/17, NJW 2018, 1261 Rn. 10).
• 3.
Vom Beru­fungs­ge­richt ist inso­weit im Hin­blick auf § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zu prü­fen, ob das Erst­ge­richt zuläs­si­ger­wei­se nur das berück­sich­tigt hat, was – gera­de auch im Hin­blick auf den per­sön­li­chen Ein­druck eines Zeu­gen oder einer Par­tei – auf der Wahr­neh­mung aller an der Ent­schei­dung betei­lig­ten Rich­ter beruht oder akten­kun­dig ist und wozu die Par­tei­en sich erklä­ren konn­ten, und ob sonst Zwei­fel an der Rich­tig­keit oder Voll­stän­dig­keit der ent­schei­dungs­er­heb­li­chen Fest­stel­lun­gen bestehen.
• 4.
Im Übri­gen unter­liegt ein Ver­stoß gegen §§ 309, 355 ZPO dem Rüge­ver­lust nach § 295 Abs. 1 ZPO (im Anschluss an BGH Urt. v. 4.12.1990 – XI ZR 310/89, NJW 1991, 1180 = juris Rn. 7).
• 5.
Wird ein Ver­stoß gegen §§ 309, 355 ZPO bereits durch die Fort­set­zung der münd­li­chen Ver­hand­lung mit ande­rer Gerichts­be­set­zung, die ersicht­lich auf dem bis­he­ri­gen Beweis­ergeb­nis des Gerichts in sei­ner bis­he­ri­gen Beset­zung fußt, offen­bar, muss eine Ver­let­zung des Unmit­tel­bar­keits­grund­sat­zes noch erst­in­stanz­lich gerügt wer­den. Eine Rüge im Beru­fungs­ver­fah­ren ist ver­spä­tet (§ 295 Abs. 1 ZPO).
• 6.
Die Behaup­tung von Vor­schä­den sei­tens des Schä­di­gers ohne greif­ba­re Anhalts­punk­te für das Vor­lie­gen von Vor­schä­den „aufs Gera­te­wohl“ oder „ins Blaue hin­ein“, ist will­kür­lich und zwingt nicht zur Beweis­erhe­bung (in Abgren­zung zu OLG Hamm Beschl. v. 7.5.2021 – 7 U 9/21, Ls. 2).
• 7.
Wenn sich der Geschä­dig­te gewerb­lich auch mit dem An- und Ver­kauf von gebrauch­ten Kraft­fahr­zeu­gen befasst, ist ihm die Inan­spruch­nah­me des Rest­wert­mark­tes im Inter­net und die Berück­sich­ti­gung dort abge­ge­be­ner Kauf­an­ge­bo­te zuzu­mu­ten (im Anschluss an BGH Urt. v. 25.6.2019 – VI ZR 358/18, r+s 2019, 539 Rn. 15 ff.).
• 8.
Ein vom Geschä­dig­ten tat­säch­lich erziel­ter, über dem vom Sach­ver­stän­di­gen ermit­tel­ten Rest­wert lie­gen­der Mehr­erlös ist, damit der Geschä­dig­te nicht an dem Unfall „ver­dient“, zu berück­sich­ti­gen, wenn ihm – wie hier – kei­ne über­ob­li­ga­ti­ons­mä­ßi­gen Anstren­gun­gen des Geschä­dig­ten zugrun­de lie­gen, was der Schä­di­ger zu bewei­sen hat (im Anschluss an BGH Urt. v. 7.12.2004 – VI ZR 119/04, r+s 2005, 124 Rn. 17; BGH Urt. v. 15.6.2010 – VI ZR 232/09, r+s 2010, 348 Rn. 10, 9).

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://www.justiz.nrw.de/nrwe/olgs/hamm/j2021/7…