BGH, Beschluss vom 28.11.2022, AZ XII ZR 89/21

Aus­ga­be: 10 — 11/2022

Der unter ande­rem für das gewerb­li­che Miet­recht zustän­di­ge XII. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs hat über die Zuläs­sig­keit einer Klau­sel in All­ge­mei­nen Geschäfts­be­din­gun­gen eines Miet­ver­trags über eine Auto­bat­te­rie ent­schie­den, die dem Ver­mie­ter eine Fern­ab­schal­tung der Bat­te­rie ermöglicht. 

Sach­ver­halt:

Der Klä­ger hat als Ver­brau­cher­schutz­ver­ein gegen die Beklag­te, eine fran­zö­si­sche Bank, die Unter­las­sung der Ver­wen­dung von AGB-Klau­seln bei Ver­mie­tung von Bat­te­rien für Elek­tro­fahr­zeu­ge gel­tend gemacht. Die Beklag­te ver­mie­tet Bat­te­rien für von ihren Kun­den gekauf­te oder geleas­te Elek­tro­fahr­zeu­ge. Hier­für ver­wen­det sie “All­ge­mei­ne Bat­te­rie-Miet­be­din­gun­gen”, die ihr als Ver­mie­te­rin im Fall der außer­or­dent­li­chen Ver­trags­be­en­di­gung durch Kün­di­gung nach ent­spre­chen­der Ankün­di­gung die Sper­re der Auf­la­de­mög­lich­keit der Bat­te­rie erlau­ben. Der Klä­ger macht gel­tend, die AGB-Klau­sel sei unwirk­sam, weil sie eine unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung der Mie­ter enthalte. 

Bis­he­ri­ger Prozessverlauf: 

Das Land­ge­richt hat die Beklag­te antrags­ge­mäß zur Unter­las­sung einer Ver­wen­dung der Klau­sel gegen­über Ver­brau­chern ver­ur­teilt. Das Beru­fungs­ge­richt hat die von der Beklag­ten ein­ge­leg­te Beru­fung zurück­ge­wie­sen. Das Sper­ren der Auf­la­de­mög­lich­keit stel­le eine ver­bo­te­ne Eigen­macht gemäß § 858 Abs. 1 BGB dar; ein Ein­griff in die unmit­tel­ba­re Sach­herr­schaft des Besit­zers dür­fe aber nur auf­grund eines staat­li­chen Voll­stre­ckungs­ti­tels erfolgen. 

Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­ge­richts­hof hat die Ent­schei­dung des Beru­fungs­ge­richts im Ergeb­nis bestätigt. 

Dabei bedurf­te die Annah­me des Beru­fungs­ge­richts, die Sper­rung der Auf­la­de­mög­lich­keit löse Ansprü­che der Mie­ter aus Besitz­schutz aus, kei­ner abschlie­ßen­den Beur­tei­lung. Zwar stellt ein Fern­zu­griff auf die ver­mie­te­te Bat­te­rie eine Besitz­stö­rung im Sin­ne des § 858 BGB dar. Ein Besitz­schutz gegen die blo­ße Besitz­stö­rung wäre aber aus­ge­schlos­sen, wenn der Ver­mie­ter auf­grund sei­ner Zugriffs­mög­lich­keit auf die Bat­te­rie deren Mit­be­sit­zer geblie­ben wäre. Unter Mit­be­sit­zern bestün­de nach § 866 BGB ein Besitz­schutz nur gegen eine — hier nicht vor­lie­gen­de — voll­stän­di­ge Ent­zie­hung des Besit­zes. Die in der Lite­ra­tur umstrit­te­ne Fra­ge, ob in sol­chen Fäl­len ein Mit­be­sitz vor­liegt, bedurf­te hier aber kei­ner Entscheidung. 

Denn die streit­ge­gen­ständ­li­che Klau­sel stellt jeden­falls eine ein­sei­ti­ge Ver­trags­ge­stal­tung dar, mit der die Beklag­te miss­bräuch­lich die eige­nen Inter­es­sen auf Kos­ten der Mie­ter durch­zu­set­zen ver­sucht, ohne deren Inter­es­sen ange­mes­sen zu berück­sich­ti­gen. Durch die allein in der Macht des Ver­mie­ters lie­gen­de Sperr­mög­lich­keit wird die Last, sich die wei­te­re Nut­zung zu sichern, auf den Mie­ter abge­wälzt. Dar­in liegt jeden­falls dann eine unan­ge­mes­se­ne Benach­tei­li­gung des Mie­ters als Ver­brau­cher, wenn die­ser die Wei­ter­be­nut­zung sei­nes — geson­dert erwor­be­nen, geleas­ten oder gemie­te­ten — E‑Fahrzeugs im Streit­fall nur durch gericht­li­che Gel­tend­ma­chung einer wei­te­ren Gebrauchs­über­las­sung der Bat­te­rie errei­chen kann. Zwar liegt es grund­sätz­lich im berech­tig­ten Inter­es­se des Ver­mie­ters, dass er nach wirk­sa­mer Been­di­gung des Miet­ver­trags die wei­te­re Nut­zung des Miet­ob­jekts unter­bin­den kann. Auf der ande­ren Sei­te steht aber das Inter­es­se des Mie­ters, sich die wei­te­re Ver­trags­er­fül­lung zu sichern. Die­ses ist jeden­falls dann als berech­tigt anzu­er­ken­nen, wenn die Wirk­sam­keit der Kün­di­gung zwi­schen den Ver­trags­par­tei­en strei­tig ist. Beruft sich etwa der Mie­ter auf eine Miet­min­de­rung oder ein Zurück­be­hal­tungs­recht wegen Män­geln, so läuft er Gefahr, dass der Ver­mie­ter unge­ach­tet des­sen die Kün­di­gung erklärt und das Miet­ob­jekt per Fern­zu­griff sperrt. Das gewinnt ins­be­son­de­re dann an Bedeu­tung, wenn das Miet­ob­jekt und des­sen fort­ge­setz­te Nut­zung für den Mie­ter von erheb­li­chem Inter­es­se sind. 

Dem­entspre­chend ist die gesetz­li­che Risi­ko­ver­tei­lung beim Miet­ver­hält­nis dadurch geprägt, dass der Ver­mie­ter auf­grund der Über­las­sung des Miet­ob­jekts grund­sätz­lich das Risi­ko der nach Miet­ver­trags­be­en­di­gung fort­ge­setz­ten (Ab-)Nutzung trägt. Dage­gen kann er sich durch Ver­ein­ba­rung einer Miet­kau­ti­on absi­chern. Außer­dem steht ihm ein Anspruch auf Nut­zungs­ent­schä­di­gung nach § 546 a BGB zu. Die streit­ge­gen­ständ­li­che Klau­sel erlaubt dage­gen einen Zugriff auf die Bat­te­rie und mit­tel­bar auch auf das E‑Fahrzeug, das für den Mie­ter infol­ge der Bat­te­rie­sper­rung nutz­los wird. Dadurch, dass die Bat­te­rie her­stel­ler­ge­bun­den und mit dem E‑Fahrzeug ver­knüpft ist, hat der Mie­ter kei­ne zumut­ba­re Mög­lich­keit, die gesperr­te Bat­te­rie durch ein ande­res Fabri­kat zu erset­zen, um das E‑Fahrzeug wei­ter betrei­ben zu kön­nen. Mit dem E‑Fahrzeug wird somit neben der Bat­te­rie ein wesent­lich höher­wer­ti­ger Ver­mö­gens­be­stand­teil für ihn unbrauch­bar bzw. ein Nut­zungs­recht dar­an ent­wer­tet. Hin­zu kommt, dass das län­ger­fris­tig ange­schaff­te bzw. geson­dert gemie­te­te oder geleas­te E‑Fahrzeug vom Mie­ter nicht sel­ten beruf­lich genutzt wird und regel­mä­ßig auch für die pri­va­te Lebens­ge­stal­tung von wesent­li­cher Bedeu­tung ist. 

Wenn unter die­sen Umstän­den bei einem Streit über die Wirk­sam­keit einer von der Beklag­ten aus­ge­spro­che­nen außer­or­dent­li­chen Kün­di­gung abwei­chend von der gesetz­li­chen Risi­ko­ver­tei­lung die Kla­ge­last durch all­ge­mei­ne Geschäfts­be­din­gun­gen auf den Mie­ter abge­wälzt wer­den soll, ver­stößt die ent­spre­chen­de Klau­sel gegen § 307 Abs. 1, 2 BGB. Denn der mit der Sper­rung ein­her­ge­hen­de Aus­schluss von der Nut­zung der Bat­te­rie und folg­lich auch des E‑Fahrzeugs geht mit sei­nen Wir­kun­gen über die Bat­te­rie als Miet­ob­jekt wesent­lich hin­aus. Eine sol­che Gestal­tung lässt sich auch nicht durch das Inter­es­se der Beklag­ten an der Siche­rung gegen den mit der Abnut­zung der Bat­te­rie nach Ver­trags­be­en­di­gung ver­bun­de­nen Ver­mö­gens­scha­den rechtfertigen.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…