BGH, Beschluss vom 12.01.2022, AZ VII ZR 389/21

Aus­ga­be: 12–2021

Der unter ande­rem für Scha­dens­er­satz­an­sprü­che aus uner­laub­ten Hand­lun­gen, die den Vor­wurf einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung bei einem Kraft­fahr­zeug mit Die­sel­mo­tor zum Gegen­stand haben, zustän­di­ge VII. Zivil­se­nat hat über Scha­dens­er­satz­an­sprü­che im Zusam­men­hang mit dem Ein­bau eines Motors des Typs EA 897 in ein von der AUDI AG her­ge­stell­tes Fahr­zeug vor dem Hin­ter­grund der Nicht­aus­übung eines dar­le­hens­ver­trag­lich ver­brief­ten Rück­ga­be­rechts entschieden.
In dem ursprüng­lich eben­falls zur Ver­hand­lung anste­hen­den Ver­fah­ren VII ZR 256/21, das die Haf­tung der AUDI AG und der Volks­wa­gen AG für die sog. Auf­heiz­stra­te­gie betraf (vgl. Pres­se­mit­tei­lung Nr. 207/2021), ist die Revi­si­on der bei­den beklag­ten Motor- bzw. Fahr­zeug­her­stel­le­rin­nen zurück­ge­nom­men worden. 

Sach­ver­halt:

Der Klä­ger nahm die beklag­te Motor- und Fahr­zeug­her­stel­le­rin — die AUDI AG — auf Scha­dens­er­satz wegen Ver­wen­dung einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung für die Abgas­rei­ni­gung in Anspruch. 

Der Klä­ger erwarb im Febru­ar 2017 einen von der AUDI AG her­ge­stell­ten Pkw Audi A6 Avant 3.0 TDI (Euro 6) als Gebraucht­wa­gen zum Preis von 46.800 €. Das Fahr­zeug ist mit einem von der AUDI AG her­ge­stell­ten Die­sel­mo­tor der Bau­rei­he EA 897 ausgestattet. 

Der Kauf­preis wur­de finan­ziert über ein Dar­le­hen der AUDI Bank. Der Dar­le­hens­ver­trag ver­brief­te ein Rück­ga­be­recht des Klä­gers der­ge­stalt, dass er das Fahr­zeug zum Zeit­punkt der Fäl­lig­keit der Schluss­ra­te in der 9. Kalen­der­wo­che 2021 an die Ver­käu­fe­rin zu einem bereits fest­ge­leg­ten Kauf­preis zurück­über­tra­gen konn­te. Der Klä­ger hat davon kei­nen Gebrauch gemacht. 

Das Fahr­zeug unter­lag einem im Jahr 2018 erlas­se­nen ver­pflich­ten­den Rück­ruf durch das Kraft­fahrt-Bun­des­amt (KBA) wegen einer unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung bzw. der unzu­läs­si­gen Redu­zie­rung der Wirk­sam­keit des Emis­si­ons­kon­troll­sys­tems. Der Klä­ger ließ ein vom KBA frei­ge­ge­be­nes Soft­ware-Update im Janu­ar 2019 auf sein Fahr­zeug aufspielen. 

Bis­he­ri­ger Prozessverlauf: 

Die in der Haupt­sa­che auf Erstat­tung des Kauf­prei­ses und der Finan­zie­rungs­kos­ten unter Abzug einer Nut­zungs­ent­schä­di­gung Zug um Zug gegen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs gerich­te­te Kla­ge war in den Vor­in­stan­zen erfolg­los geblieben.

Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs: 

Der Bun­des­ge­richts­hof hat mit dem heu­te ver­kün­de­ten Urteil auf die Revi­si­on des Klä­gers das Beru­fungs­ur­teil auf­ge­ho­ben und die Sache zur neu­en Ver­hand­lung und Ent­schei­dung an das Beru­fungs­ge­richt zurückverwiesen. 

Hin­sicht­lich des ver­brief­ten Rück­ga­be­rechts, das dem Klä­ger bei der Finan­zie­rung des Fahr­zeug­kauf­prei­ses ein­ge­räumt wor­den war, hat der Bun­des­ge­richts­hof ent­schie­den, dass der Scha­den des Klä­gers nicht dadurch nach­träg­lich ent­fal­len ist, dass er die­ses Recht nicht aus­ge­übt, son­dern das Finan­zie­rungs­dar­le­hen voll­stän­dig abge­löst hat. 

Nach der all­ge­mei­nen Lebens­er­fah­rung hät­te der Klä­ger den Kauf­ver­trag in Kennt­nis der — revi­si­ons­recht­lich zu unter­stel­len­den — unzu­läs­si­gen Abschalt­ein­rich­tung und wegen des dar­aus resul­tie­ren­den Still­le­gungs­ri­si­kos nicht abge­schlos­sen (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 — VI ZR 252/19 Rn. 19, 49 ff., BGHZ 225, 316; Urteil vom 30. Juli 2020 — VI ZR 397/19 Rn. 16, WM 2020, 1642). Der Scha­den liegt in der Ein­ge­hung einer unge­woll­ten Ver­pflich­tung (vgl. BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 — VI ZR 252/19 Rn. 47 f., BGHZ 225, 316). 

Dass der Klä­ger das Dar­le­hen voll­stän­dig ablös­te, anstatt das Fahr­zeug zu den beim Erwerb fest­ge­leg­ten Kon­di­tio­nen an die Ver­käu­fe­rin zurück­zu­ge­ben, macht die­se Ver­let­zung sei­nes wirt­schaft­li­chen Selbst­be­stim­mungs­rechts nicht unge­sche­hen. Der Nicht­aus­übung des Rück­ga­be­rechts ist kei­ne Zustim­mung zu dem ursprüng­lich unge­woll­ten Ver­trags­schluss zu ent­neh­men. Allein der Fort­füh­rung des ursprüng­lich geschlos­se­nen Finan­zie­rungs­ver­tra­ges durch Zah­lung der Schluss­ra­te kommt kein Bestä­ti­gungs­wil­le im Hin­blick auf den Kauf­ver­trag zu. 

Dem Klä­ger ist auch kei­ne Ver­let­zung einer Oblie­gen­heit zur Scha­dens­min­de­rung anzu­las­ten. Das Risi­ko, bei Aus­übung des Rück­ga­be­rechts wirt­schaft­lich schlech­ter zu ste­hen als bei einem Vor­ge­hen — wie hier — im Wege des Scha­dens­er­sat­zes gemäß § 249 Abs. 1 BGB, muss­te der Klä­ger nicht eingehen.
Die Recht­spre­chung des Senats zur Berech­nung des Nut­zungs­er­sat­zes im Rah­men von Lea­sing­ver­trä­gen (vgl. BGH, Urteil vom 16. Sep­tem­ber 2021 — VII ZR 192/20 Rn. 40 ff., WM 2021, 2056) ist auf den finan­zier­ten Eigen­tums­er­werb unter Ein­räu­mung eines Rück­ga­be­rechts nicht über­trag­bar. Die Dar­le­hens­ra­ten sind kei­ne Gegen­leis­tung für die Ein­räu­mung der Nut­zungs­mög­lich­keit. Ein Lea­sing­neh­mer erwirbt nur die Mög­lich­keit zur Nut­zung für einen begrenz­ten, vor­her fest­ge­leg­ten Zeit­raum zu bestimm­ten, mit dem Lea­sing­ge­ber ver­ein­bar­ten Bedin­gun­gen. Dage­gen beruht der fremd­fi­nan­zier­te Kauf trotz der Rück­ga­be­op­ti­on auf einer Inves­ti­ti­ons­ent­schei­dung, die von vorn­her­ein auf den Eigen­tums­er­werb gerich­tet ist und dem Erwer­ber erst die Mög­lich­keit ver­schafft, das Fahr­zeug dem Finan­zie­rungs­ge­ber zur Siche­rung zu über­eig­nen. Ein wider­sprüch­li­ches, womög­lich den Anspruch gemäß § 242 BGB aus­schlie­ßen­des Ver­hal­ten des jewei­li­gen Klä­gers ist vor die­sem Hin­ter­grund nicht erkennbar. 

Da das Beru­fungs­ge­richt — von sei­nem Rechts­stand­punkt aus fol­ge­rich­tig — kei­ne Fest­stel­lun­gen zu den übri­gen Anspruchs­vor­aus­set­zun­gen des § 826 BGB getrof­fen hat, war die Sache nicht zur End­ent­schei­dung reif. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…