(Kiel) Die Vor­fahrts­re­gel des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO (“rechts vor links”) fin­det auf öffent­li­chen Park­plät­zen ohne aus­drück­li­che Vor­fahrts­re­ge­lung weder unmit­tel­bar noch im Rah­men der Pflich­ten­kon­kre­ti­sie­rung nach § 1 Abs. 2 StVO Anwendung,
soweit den dort vor­han­de­nen Fahr­spu­ren kein ein­deu­ti­ger Stra­ßen­cha­rak­ter zukommt.

Dar­auf ver­weist der Erlan­ger Fach­an­walt für Straf- und Ver­kehrs­recht Mar­cus Fischer, Vize­prä­si­dent des VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf ein am 11.01.2023 bekannt gege­be­nes Urteil des Bun­des­ge­richts­hofs (BGH) vom 22. Novem­ber 2022 — VI ZR 344/21.

  • Sach­ver­halt:

Der Klä­ger mach­te hier gegen die Beklag­ten Scha­dens­er­satz­an­sprü­che nach einem Ver­kehrs­un­fall auf dem Park­platz eines Bau­markts gel­tend. Die durch mar­kier­te Park­buch­ten gekenn­zeich­ne­ten Park­flä­chen des Park­plat­zes waren durch sich teil­wei­se kreu­zen­de, durch ihre Pflas­te­rung nicht von den Park­buch­ten abge­ho­be­ne Fahr­spu­ren erschlos­sen. Eine Beschil­de­rung zur Rege­lung der Vor­fahrt oder Fahr­bahn­mar­kie­run­gen (mit Aus­nah­me der Mar­kie­run­gen der Park­buch­ten) exis­tier­ten nicht.

Zum Unfall­zeit­punkt befuhr der Klä­ger mit sei­nem Pkw eine zwi­schen den Park­flä­chen befind­li­che Fahr­gas­se, der Beklag­te aus Sicht des Klä­gers von links kom­mend eine die­se Gas­se kreu­zen­de Fahr­spur. Die wech­sel­sei­ti­gen Blick­fel­der des Klä­gers und des Beklag­ten waren dabei durch einen par­ken­den Sat­tel­zug erheb­lich ein­ge­schränkt. Im Kreu­zungs­be­reich kam es zum Zusam­men­stoß der bei­den Fahrzeuge.

Die Haft­pflicht­ver­si­che­rung des Beklag­ten regu­lier­te den klä­ge­ri­schen Scha­den unter Zugrun­de­le­gung einer Haf­tungs­quo­te von 50 %. Der Klä­ger woll­te hin­ge­gen 100 %.

  • Bis­he­ri­ger Prozessverlauf:

Das Amts­ge­richt hat­te der Kla­ge unter Annah­me einer Haf­tungs­quo­te von 70 % zu 30 % zu Las­ten der Beklag­ten teil­wei­se statt­ge­ge­ben. Die Beru­fung des Klä­gers ist vor dem Land­ge­richt blieb ohne Erfolg. Zu Recht wie der BGH nun ent­schie­den hat.

  • Ent­schei­dung des Bundesgerichtshofs:

Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO hat an Kreu­zun­gen und Ein­mün­dun­gen die Vor­fahrt, wer von rechts kommt. Dabei muss es sich bei den auf­ein­an­ders­to ßen­den Fahr­bah­nen um Stra­ßen han­deln. Die gesetz­li­che Vor­fahrts­re­ge­lung soll den zügi­gen Ver­kehr auf bevor­rech­tig­ten Stra­ßen gewähr­leis­ten und damit durch kla­re und siche­re Ver­kehrs­re­geln auch der Sicher­heit des Stra­ßen­ver­kehrs dienen.

Ein Park­platz sei dage­gen — als Gan­zes betrach­tet — kei­ne Stra­ße, son­dern eine Ver­kehrs­flä­che, die — vor­be­halt­lich spe­zi­fi­scher Rege­lun­gen durch den  Eigen­tü­mer oder Betrei­ber — grund­sätz­lich in jeder Rich­tung befah­ren wer­den darf. Park­flä­chen­mar­kie­run­gen, die den Platz in Park­plät­ze und Fahr­spu­ren auf­tei­len, ändern für sich genom­men dar­an nichts, so dass durch sol­che Mar­kie­run­gen ent­ste­hen­den Fahr­bah­nen — wie allein durch die tat­säch­li­che Anord­nung der gepark­ten Fahr­zeu­ge gebil­de­ten Gas­sen — kein Stra­ßen­cha­rak­ter zukommt. Die auf Park­plät­zen vor­han­de­nen Fahr­spu­ren die­nen zudem typi­scher­wei­se nicht — wie es der Zweck­rich­tung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO ent­sprä­che — der mög­lichst zügi­gen Abwick­lung des flie­ßen­den Ver­kehrs, son­dern der Erschlie­ßung der Park­mög­lich­kei­ten durch Eröff­nung von Ran­gier­räu­men und der Ermög­li­chung von Be- und Ent­la­de­vor­gän­gen, wobei die Fahr­bah­nen regel­mä­ßig sowohl von Kraft­fah­rern als auch Fuß­gän­gern genutzt werden.

Eine Beja­hung des Stra­ßen­cha­rak­ters und damit eine — dann unmit­tel­ba­re – Anwen­dung des § 8 Abs. 1 Satz 1 StVO kommt daher auf Park­plät­zen nur aus­nahms­wei­se dann in Betracht, wenn sich durch die bau­li­che Gestal­tung der Fahr­spu­ren und die sons­ti­gen ört­li­chen Gege­ben­hei­ten für den Ver­kehrs­teil­neh­mer unmiss­ver­ständ­lich ergibt, dass die Fahr­bah­nen nicht der Auf­tei­lung und unmit­tel­ba­ren Erschlie­ßung der Park­flä­chen, son­dern in ers­ter Linie der Zu- und Abfahrt und damit dem flie­ßen­den Ver­kehr dienen.

Feh­le es an einem sol­chen ein­deu­ti­gen Stra­ßen­cha­rak­ter, kommt auf öffent­li­chen Park­plät­zen auch kei­ne ent­spre­chen­de oder mit­tel­ba­re Anwen­dung der Vor­fahrts­re­gel “rechts vor links” im Rah­men der Pflich­ten­kon­kre­ti­sie­rung nach § 1 Abs. 2 StVO in Betracht.

Fischer riet, das Urteil zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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