(Kiel) Stößt eine Radfahrerin, die den Radweg einer bevorrechtigten Straße entgegen der Fahrtrichtung befährt, mit einem aus einem verkehrsberuhigten Bereich auf den Radweg einbiegenden Radfahrer zusammen, kann eine Haftungsquote von 2/3 zu Lasten des Radfahrers und 1/3 zu Lasten der Radfahrerin gerechtfertigt sein.

Das, so der Erlanger Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus Fischer, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf die Mitteilung des Gerichts vom 3.07.2014, hat der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Münster am 06.06.2014 (Az. 26 U 60/13) entschieden.

Im September 2010 fuhr die seinerzeit 59 Jahre alte Klägerin aus Ochtrup in Ochtrup auf dem Fahrradweg neben der Bentheimer Straße entgegen der Fahrtrichtung. Der seinerzeit 14 Jahre alte Beklagte aus Ochtrup kam mit seinem Fahrrad aus dem verkehrsberuhigten Bereich der Straße „An den Quellen“, um nach rechts auf den Radweg der Bentheimer Straße abzubiegen. Im Einmündungsbereich beider Straßen stießen die Fahrräder zusammen. Die Klägerin stürzte und zog sich einen Bruch des Schienbein- und des Wadenbeinkopfes zu. Vom Beklagten hat sie 100%igen Schadensersatz verlangt und gemeint, er habe den Unfall allein verschuldet. Mit Radfahrern auf der bevorrechtigten Bentheimer Straße, die den Radweg in falscher Richtung befahren würden, habe er rechnen müssen.

Der 26. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Hamm hat der Klägerin Schadensersatz mit einer Haftungsquote von 2/3 zu ihren Gunsten und 1/3 zu ihren Lasten zuerkannt. Ausgehend hiervon hat er ihr unter Berücksichtigung eines bereits von der Haftpflichtversicherung des Beklagten gezahlten Schmerzensgeldes von 4.500 Euro weitere 3.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen.

Der Beklagte habe, so der Senat, den Unfall überwiegend verschuldet. Er habe gegen § 10 der Straßenverkehrsordnung verstoßen. Hiernach habe er vom verkehrsberuhigten Bereich der Straße „An den Quellen“ nur so auf die Bentheimer Straße einbiegen dürfen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen sei. Dem habe der Beklagte nicht genügt, weil er die Klägerin durch sein unachtsames Einbiegen auf den Radweg der Bentheimer Straße zu Fall gebracht habe.

Die Klägerin treffe allerdings ein Mitverschulden, weil sie den Radweg entgegen der Fahrtrichtung benutzt und so gegen § 2 Abs. 4 Straßenverkehrsordnung verstoßen habe.

Bei der Abwägung der beiderseitigen Verschuldens- bzw. Mitverschuldensbeiträge wiege der Verkehrsverstoß des Beklagten schwerer als der der Klägerin. Dem gem. § 10 der Straßenverkehrsordnung verpflichteten Beklagten gegenüber habe der gesamte fließende Verkehr der Bentheimer Straße Vorrang, auch ein den Radweg in verkehrter Richtung benutzender Radfahrer.

Das Mitverschulden der Klägerin trete allerdings nicht vollständig hinter das Verschulden des Beklagten zurück. Die Klägerin habe die Gefahrensituation voraussehen können, nachdem sie den Radweg vorsätzlich in der für sie nicht freigegebenen Fahrrichtung befahren habe. Ausgehend hiervon habe sie nicht darauf vertrauen dürfen, dass ihr grundsätzliches Vorfahrtsrecht beachtet werde. Sie habe sich vielmehr auch auf dessen Missachtung einstellen müssen, zumal der Einmündungsbereich der Straße „An den Quellen“ wegen Bewuchses nur schlecht einsehbar gewesen sei. Deswegen habe sie eine Fahrweise wählen müssen, bei der sie einem für sie von links kommenden Fahrzeug hätte ausweichen können. Es sei daher angemessen, ihr Mitverschulden mit 1/3 zu berücksichtigen.

Fischer riet, dies zu beachten und in allen Zweifelsfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

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Marcus Fischer
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