(Kiel) Wer unter Über­schrei­ten der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit über­holt, muss sich im Fal­le eines Unfalls nur dann einen Ver­stoß gegen ein soge­nann­tes “fak­ti­sches Über­hol­ver­bot” vor­hal­ten las­sen, wenn sich der Unfall beim Ein­hal­ten der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit nicht ereig­net hätte.

Außer­dem schützt ein “fak­ti­sches Über­hol­ver­bot” nur die von einem gesetz­li­chen Über­hol­ver­bot geschütz­ten Ver­kehrs­teil­neh­mer und nicht auch den von einer Park­platz­aus­fahrt in die Stra­ße ein­bie­gen­den Verkehrsteilnehmer.

Dar­auf ver­weist der Erlan­ger Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Mar­cus Fischer, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Hamm vom 16.04.2014 zu sei­nem Urteil vom 04.02.2014 (9 U 149/13).

Im Mai 2013 befuhr der aus Hagen stam­men­de, sei­ner­zeit 28 Jah­re alte Klä­ger mit sei­nem Motor­rad Hon­da die Häl­ver­stra­ße in Schalks­müh­le. Im Bereich der Park­platz­e­in- und ‑aus­fahrt eines an der lin­ken Stra­ßen­sei­te gele­ge­nen Lebens­mit­tel­mark­tes über­hol­te der Klä­ger ein vor ihm mit ca. 50 km/h fah­ren­des Fahr­zeug, wobei er die inner­orts zuläs­si­ge Höchst­ge­schwin­dig­keit über­schritt. Zu die­sem Zeit­punkt bog der sei­ner­zeit 49 Jah­re alte Beklag­te aus Lüden­scheid mit sei­nem Pkw Renault vom Park­platz des Lebens­mit­tel­mark­tes nach rechts auf die Häl­ver­stra­ße und kol­li­dier­te mit dem ihm ent­ge­gen­kom­men­den, bereits über­hol­den­den Motor­rad des Klä­gers. Der Klä­ger zog sich Ver­let­zun­gen an sei­nen lin­ken Sprung­ge­lenk und sei­ner rech­ten Fer­se zu, sein Motor­rad erlitt einen Total­scha­den. Vom Beklag­ten hat er 100%igen Scha­dens­er­satz verlangt.

Die Kla­ge hat­te Erfolg, so Fischer.

Der 9. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm hat dem Klä­ger 8.000 Euro Schmer­zens­geld und ca. 11.500 Euro mate­ri­el­len Scha­dens­er­satz zuge­spro­chen. Nach dem ein­ge­hol­ten unfall­ana­ly­ti­schen Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten sei allein der Beklag­te für den Unfall ver­ant­wort­lich. Nach der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung habe der Beklag­te bei der Ein­fahrt vom Park­platz auf die Stra­ße die Gefähr­dung des Klä­gers als Teil­neh­mer des flie­ßen­den Ver­kehrs aus­schlie­ßen müs­sen. Die­sen Anfor­de­run­gen habe er nicht genügt, bereits nach einem Anfahrts­weg von 6 m sei sein Fahr­zeug mit dem Motor­rad des Klä­gers kol­li­diert. Den Klä­ger tref­fe dem­ge­gen­über kein Mit­ver­schul­den, das bei der Haf­tungs­ab­wä­gung zu berück­sich­ti­gen sei. Zu Beginn sei­nes Über­hol­vor­gan­ges sei das Anfah­ren des Beklag­ten für ihn nicht zu erken­nen gewe­sen. Dass er nur unter Über­schrei­tung der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit von 50 km/h habe über­ho­len kön­nen, sei nicht zu sei­nen Las­ten zu berück­sich­ti­gen. Nach der Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung begrün­de dies kein gesetz­li­ches Über­hol­ver­bot, es stell­te ledig­lich einen Geschwin­dig­keits­ver­stoß dar. Die­ser begrün­de nur dann ein “fak­ti­sches” Über­hol­ver­bot, wenn sich der Unfall beim Ein­hal­ten der zuläs­si­gen Höchst­ge­schwin­dig­keit nicht ereig­net hät­te. Von einem der­ar­ti­gen Ver­lauf sei aber im vor­lie­gen­den Fall nach dem ein­ge­hol­ten Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten nicht aus­zu­ge­hen. Viel­mehr sei der Geschwin­dig­keits­ver­stoß des Klä­gers für den Unfall nicht ursäch­lich gewor­den. Im Übri­gen schütz­ten die gesetz­li­chen Über­hol­ver­bo­te nur den nach­fol­gen­den und den Gegen­ver­kehr, nicht jedoch den von einem Park­platz auf die Stra­ße ein­fah­ren­den Ver­kehrs­teil­neh­mer. Für ein durch einen Geschwin­dig­keits­ver­stoß begrün­de­tes “fak­ti­sches” Über­hol­ver­bot kön­ne dann nichts ande­res gelten.

Fischer riet, dies zu beach­ten und in allen Zwei­fels­fäl­len unbe­dingt recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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Mar­cus Fischer
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