(Kiel) Ob ein pri­vat auf­ge­nom­me­nes Video in einem Zivil­pro­zess zu Beweis­zwe­cken ver­wen­det wer­den darf, hängt von einer Inter­es­sen­ab­wä­gung ab. Die Ver­wer­tung kann zuläs­sig sein, wenn zum Zeit­punkt der Auf­nah­me damit noch kein bestimm­ter Zweck ver­folgt wur­de und das Video spä­ter der Beweis­si­che­rung dient.

Dar­auf ver­weist der Worm­ser Fach­an­walt für Straf­recht Jür­gen Möthrath, Lei­ter des Fach­aus­schus­ses „Ord­nungs­wid­rig­kei­ten-/Straf­recht” des VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel unter Bezug auf eine Mit­tei­lung des Amts­ge­richts (AG) Mün­chen vom 8.07.2013 zu sei­nem Urteil vom 6.06.2013, AZ 343 C 4445/13.

Am 30.5.11 kam es in Mün­chen an der Kreu­zung Tegelbergstraße/ Nau­plia­stra­ße zu einem Ver­kehrs­un­fall. Ein Fahr­rad­fah­rer fuhr rechts neben dem Fah­rer eines Smart Cabri­os, der ihn dann über­hol­te. Als der Pkw-Fah­rer plötz­lich abbrems­te, geriet der Fahr­rad­fah­rer ins Strau­cheln und fiel hin. Dabei ver­letz­te er sich und auch sein Fahr­rad wur­de beschädigt.

Die Arzt- und Repa­ra­tur­kos­ten von ins­ge­samt 3000 Euro woll­te der Fahr­rad­fah­rer vom Auto­fah­rer ersetzt bekom­men sowie dar­über hin­aus ein ange­mes­se­nes Schmer­zens­geld. Schließ­lich habe die­ser ihn absicht­lich aus­ge­bremst, um ihn zu maß­re­geln. Der Fah­rer des Cabri­os habe ihm näm­lich vor­her schon den „Mit­tel­fin­ger” gezeigt, weil er sich beschwert habe, dass der Smart ihn zuvor ohne jeg­li­chen Sei­ten­ab­stand über­holt habe. Er kön­ne das alles auch bewei­sen, weil er sei­ne Fahr­rad­fahrt auf Video auf­ge­nom­men habe. Der Auto­fah­rer wei­ger­te sich zu zah­len. Es stim­me so alles nicht und die Ver­wer­tung des Vide­os ver­let­ze ihn in sei­nen Grundrechten.

Dar­auf­hin erhob der Fahr­rad­fah­rer Kla­ge vor dem Amts­ge­richt Mün­chen. Die zustän­di­ge Rich­te­rin wies die Kla­ge jedoch ab, so Möthrath:

Die Beweis­auf­nah­me habe erge­ben, dass der Fahr­rad­fah­rer den Unfall über­wie­gend selbst ver­schul­de­te. Das mit­wir­ken­de Ver­hal­ten des Auto­fah­rers sei von so unter­ge­ord­ne­ter Bedeu­tung gewe­sen, dass eine Haf­tung nicht mehr in Betracht kom­me. Zu einer Berüh­rung des Fahr­rads mit dem Smart sei es nicht gekom­men. Des­halb haf­te der Auto­fah­rer nicht auto­ma­tisch schon wegen der Betriebs­ge­fahr, die von sei­nem Auto aus­ge­he für die Fol­gen des Unfalls. Der Fahr­rad­fah­rer habe viel­mehr ein Ver­schul­den des Auto­fah­rers zu bewei­sen. Dies sei ihm nicht gelungen.

Zunächst sei strei­tig gewe­sen, ob die Ver­wer­tung des Vide­os zuläs­sig sei. Zur Beant­wor­tung die­ser Fra­ge kom­me es auf die Inter­es­sen bei­der Par­tei­en an, die gegen­ein­an­der abzu­wä­gen seien.

Hier füh­re die Abwä­gung zu dem Ergeb­nis, dass die Ver­wer­tung des Vide­os zuläs­sig sei.

Zu der Zeit, zu der das Video auf­ge­nom­men wur­de, habe der Auf­neh­men­de damit noch kei­nen bestimm­ten Zweck ver­folgt. Die Per­so­nen, die vom Video auf­ge­nom­men wur­den, sei­en rein zufäl­lig ins Bild gera­ten, so, wie es auch sei, wenn man Urlaubs­fo­tos schie­ße oder Urlaubs­fil­me mache und dabei auch Per­so­nen mit abge­bil­det wer­den, mit denen man nichts tun habe. Der­ar­ti­ge Foto­auf­nah­men und Vide­os sei­en nicht ver­bo­ten und sozi­al aner­kannt. Jeder wis­se, dass er in der Öffent­lich­keit zufäl­lig auf sol­che Bil­der gera­ten kön­ne. Nach­dem die abge­bil­de­te Per­son dem Foto­gra­fen in der Regel nicht bekannt sei und die­ser damit auch kei­ne nähe­ren Absich­ten gegen­über der abge­bil­de­ten Per­son ver­fol­ge, blei­be die abge­bil­de­te Per­son anonym und sei damit allein durch die Tat­sa­che, dass die Auf­nah­me erstellt wur­de auch nicht in ihren Rech­ten betrof­fen. Eine Beein­träch­ti­gung ihrer Grund­rech­te kön­ne nur dann vor­lie­gen, wenn eine der­ar­ti­ge zufäl­lig gewon­ne­ne Auf­nah­me gegen den Wil­len der abge­bil­de­ten Per­son ver­öf­fent­licht werde.

Das lie­ge hier zwar vor, nach­dem der Klä­ger von der Video­auf­nah­me im Gerichts­ver­fah­ren Gebrauch machen wol­le. In dem Moment, in dem sich der Unfall ereig­ne­te, habe sich aber auch die Inter­es­sen­la­ge der Betei­lig­ten geän­dert. Der Fahr­rad­fah­rer habe nun­mehr ein Inter­es­se dar­an, Bewei­se zu sichern. Die­ses Inter­es­se sei in der Recht­spre­chung auch aner­kannt: Es wer­de für unpro­ble­ma­tisch gehal­ten, wenn ein Unfall­be­tei­lig­ter unmit­tel­bar nach dem Unfall Fotos von den betei­lig­ten Fahr­zeu­gen, der End­stel­lung, Brems­spu­ren oder auch von sei­nem Unfall­geg­ner mache, um Bewei­se für den Unfall­her­gang und die Betei­li­gung der Per­so­nen zu sichern. Es kön­ne kei­nen Unter­schied machen, ob die Beweis­mit­tel erst nach dem Unfall gewon­nen wer­den oder bereits ange­fer­tig­te Auf­nah­men nun mit die­ser Ziel­rich­tung ver­wer­tet wer­den. Des­halb kön­ne in dem Pro­zess das Video aus­ge­wer­tet werden.

Die Aus­wer­tung des Vide­os habe aber nun­mehr erge­ben, dass der Fahr­rad­fah­rer mit einer Geschwin­dig­keit von 24 km/h gefah­ren sei und des­halb zum vor­aus­fah­ren­den Pkw einen Abstand von 12 m hät­te ein­hal­ten müs­sen. Das habe er aber nicht getan, er sei viel mehr in einem Abstand von nur 8 m hin­ter dem Pkw her­ge­fah­ren. Als er das Auf­leuch­ten der Brems­lich­ter sah, hät­te er trotz­dem sein Fahr­rad noch sicher zum Ste­hen brin­gen kön­nen, wenn er eine mode­ra­te Brem­sung nicht nur mit der Vor­der­rad­fel­ge, son­dern auch mit der Hin­ter­rad­fel­ge aus­ge­führt hät­te, um die Sta­bi­li­tät sei­nes Fahr­ra­des zu erhal­ten. Dazu hät­te die ver­blie­be­ne Stre­cke bis zum Halt des Pkws ausgereicht.

Der Auto­fah­rer habe auch einen ver­kehrs­be­ding­ten Anlass für sei­ne Brem­sung gehabt, da ihm ein PKW ent­ge­gen­ge­kom­men sei.

Dass der Auto­fah­rer den Klä­ger maß­re­geln woll­te, müs­se die­ser bewei­sen. Das Video zei­ge dies, ins­be­son­de­re auch den erho­be­nen Mit­tel­fin­ger, nicht. Auf der ent­spre­chen­den Bild­se­quenz sei ledig­lich eine erho­be­ne Faust zu sehen. Ob ein Fin­ger dar­über hin­aus­ra­ge, kön­ne hin­ge­gen nicht mit der nöti­gen Sicher­heit gesagt wer­den. Der Auto­fah­rer habe ange­ge­ben, dass er gele­gent­lich beim Fah­ren mit sei­nem Cabrio die Hand am obe­ren Tür­holm habe. Anhand des­sen, was man auf dem Video sehe, las­se sich die­se Vari­an­te nicht völ­lig ausschließen.

Das Urteil ist nicht rechtskräftig.

Möthrath riet, die­ses Urteil zu beach­ten und ggfs. recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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Jür­gen Möthrath
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