(Kiel) Der 1. Straf­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Olden­burg ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der für Kraft­fahr­zeu­ge gel­ten­de Grenz­wert von 1,1 ‰ auch auf Kut­scher anzu­wen­den ist.

Dar­auf ver­weist der Bad Nau­hei­mer Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Roma­nus Schlemm, Vize­prä­si­dent des VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts (OLG) Olden­burg vom 4.03.2014 zu sei­nem Urteil vom 25. Febru­ar 2014, Az.1 Ss 204/13.

Der Ange­klag­te hat­te im August 2012 in Lathen/Hilter mit einer von zwei Pfer­den gezo­ge­nen Kut­sche eine öffent­li­che Stra­ße befah­ren und war von zwei Poli­zei­be­am­ten kon­trol­liert wor­den. Die dar­auf­hin ange­ord­ne­te Blut­pro­be hat­te eine Blut­al­ko­hol­kon­zen­tra­ti­on (BAK) von 1,98 ‰ erge­ben. Die Beweis­auf­nah­me vor dem Land­ge­richt hat­te kei­ne Anzei­chen für eine sog. „rela­ti­ve Fahr­un­tüch­tig­keit” erge­ben. Die Kut­sche war weder in Schlan­gen­li­ni­en gefah­ren, noch zeig­te der Fah­rer etwai­ge Aus­fall­erschei­nun­gen. Das Land­ge­richt warf sodann die berech­tig­te Fra­ge auf, bei wel­chem Grenz­wert eine abso­lu­te Fahr­un­tüch­tig­keit vor­lie­ge. Es lehn­te die Anwen­dung des Grenz­wer­tes für Kraft­fah­rer von 1,1 ‰ ab, weil eine Kut­sche deut­lich lang­sa­mer fah­re. Der Grenz­wert für Fahr­rad­fah­rer von 1,6 ‰ sei des­halb nicht ver­gleich­bar, weil es bei der Kutsch­fahrt nicht auf den für die Fahr­tüch­tig­keit von Fahr­rad­fah­rern ent­schei­den­den Gleich­ge­wichts­sinn ankomme.

Der 1. Straf­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Olden­burg hat auf die Revi­si­on der Staats­an­walt­schaft das Urteil des Land­ge­richts Osna­brück auf­ge­ho­ben und die Sache zur erneu­ten Ver­hand­lung an das Land­ge­richt zurückverwiesen.

Der Senat ver­tritt die Auf­fas­sung, dass der für Kraft­fahr­zeu­ge gel­ten­de Grenz­wert von 1,1 ‰ auch auf Kut­scher anzu­wen­den ist. Nach Ein­ho­lung eines Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­tens begrün­de­te der Senat sei­ne Ent­schei­dung wie folgt: Ein Kut­scher müs­se im Stra­ßen­ver­kehr viel­fäl­ti­ge Anfor­de­run­gen erfül­len. Fahr­feh­ler, wie Ver­lust des Gleich­ge­wichts, zu locker geführ­te Lei­nen oder Fehl­ein­schät­zun­gen einer Ver­kehrs­si­tua­ti­on, könn­ten sich gefähr­lich aus­wir­ken. Ein Pferd sei grund­sätz­lich zu kei­ner ange­mes­se­nen Eigen­re­ak­ti­on fähig, son­dern ver­las­se sich auf den Fah­rer. Dabei kön­ne jeder­zeit etwas Unver­hoff­tes pas­sie­ren, wes­halb der Reak­ti­ons­fä­hig­keit des Kut­schers beson­de­re Bedeu­tung zukom­me. Der Fah­rer sei gehal­ten, die Pfer­de — ins­be­son­de­re ihre Ohren — wäh­rend der Nor­mal­fahrt, bei der eine Geschwin­dig­keit von cir­ca 8 km/h erreicht wer­de, und erst recht bei einer im Ver­gleich dazu schnel­le­ren Trab­fahrt stän­dig zu beob­ach­ten und ihr Ver­hal­ten zu reflek­tie­ren. Soll­te ein Tier aus­bre­chen, kön­ne die Kut­sche im vol­len Galopp eine Geschwin­dig­keit von mehr als 40 km/h errei­chen. Es sei in einer sol­chen Situa­ti­on auf­grund des Flucht­in­stink­tes schwie­rig, die Pfer­de und die Kut­sche zum Ste­hen zu bekom­men. Im Regel­fall lie­ßen sich die Tie­re erst durch Hin­der­nis­se auf­hal­ten. Der Gespann­füh­rer müs­se somit — anders als ein Rad­fah­rer — jeder­zeit in der Lage sein, schnell zu reagie­ren und sei­ne für die Füh­rung der Pfer­de wich­ti­ge Stim­me sowie die Lei­nen ein­set­zen zu können.

Die typi­schen alko­hol­be­ding­ten Ein­bu­ßen in der Leis­tungs­fä­hig­keit, wie etwa die Ver­rin­ge­rung der Auf­merk­sam­keit oder des Reak­ti­ons­ver­mö­gens wirk­ten sich eben­so aus wie bei einem Kraft­fah­rer. Der Grenz­wert für die abso­lu­te Fahr­un­tüch­tig­keit lie­ge des­halb eben­falls bei 1,1 ‰ BAK. Dass ein Kut­scher nur eine deut­lich gerin­ge­re Geschwin­dig­keit als bei­spiels­wei­se ein Pkw errei­chen kön­ne, sei nicht von ent­schei­den­der Bedeu­tung. Auch für ande­re lang­sam fah­ren­de Kraft­fahr­zeu­ge, wie etwa Mofas, gel­te die 1,1-‰-Grenze, so der Senat.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Schlemm emp­fahl, die Ent­schei­dung zu beach­ten und in der­ar­ti­gen Fäl­len recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf die Anwäl­te und Anwäl­tin­nen in dem VdVKA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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