(Kiel) Wer bei Grün­licht in eine Kreu­zung ein­fährt und dann auf­grund eines Rück­staus den Kreu­zungs­be­reich für län­ge­re Zeit nicht räu­men kann, darf nicht blind­lings auf sei­nen Sta­tus als bevor­rech­tig­ter “ech­ter Nach­züg­ler” ver­trau­en, son­dern muss sich ver­ge­wis­sern, dass eine Kol­li­si­on mit dem Quer­ver­kehr, der (erst) nach meh­re­ren Sekun­den Grün­licht für sei­ne Fahrt­rich­tung in die Kreu­zung ein­fährt, aus­ge­schlos­sen ist.

Dar­auf ver­weist der Bad Nau­hei­mer Fach­an­walt für Ver­kehrs­recht Roma­nus Schlemm, Vize­prä­si­dent des VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­An­wäl­te e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hin­weis auf die Mit­tei­lung des Ober­lan­des­ge­richts Hamm vom 14.10.2016 zu sei­nem Urteil vom 26.08.2016 (7 U 22/16).

Die Beklag­te aus Essen befuhr mit einem PKW Kia Ceed von Wes­ten kom­mend die Gril­lo­stra­ße in Essen. In den Kreu­zungs­be­reich Gril­lo­stra­ße / Glad­be­cker Stra­ße (B 224) fuhr sie bei Grün­licht ein und kam dann auf­grund eines Rück­staus des Links­ab­bie­ger­ver­kehrs hin­ter der Flucht­li­nie zum Ste­hen. Nach­dem sie min­des­tens 40 Sekun­den gestan­den hat­te — die von ihr zuvor pas­sier­te Ampel zeig­te bereits mehr als 20 Sekun­den Rot­licht -, ent­schloss sie sich dazu, die Kreu­zung zu räu­men. Im Kreu­zungs­be­reich stieß sie mit dem vom Ehe­mann der Klä­ge­rin aus Marl gefah­re­nen PKW Opel Astra zusam­men, der die Glad­be­cker Stra­ße von Nor­den kom­mend in Rich­tung Innen­stadt befuhr. Er folg­te einem Fahr­zeug, wel­ches die Beklag­te pas­sie­ren ließ, und hat­te bei sei­ner Ein­fahrt in den Kreu­zungs­be­reich min­des­tens 19 Sekun­den Grünlicht.

Den ihr durch den Unfall ent­stan­de­nen Sach­scha­den in Höhe von ca. 13.900 Euro hat die Klä­ge­rin von der Beklag­ten, von dem Hal­ter des Beklag­ten­fahr­zeugs und von des­sen Haft­pflicht­ver­si­che­rung ersetzt ver­langt. Die Ver­si­che­rung glich vor­pro­zes­su­al zwei Drit­tel des Scha­dens der Klä­ge­rin aus. Das rest­li­che Drit­tel in Höhe von ca. 4.600 Euro und wei­te­re ent­stan­de­ne Neben­kos­ten hat die Klä­ge­rin eingeklagt.

Die Kla­ge war in zwei­ter Instanz erfolg­reich. Nach der Auf­klä­rung des Unfall­her­gangs und der Scha­dens­hö­he hat der 7. Zivil­se­nat des Ober­lan­des­ge­richts Hamm der Klä­ge­rin ca. 4.600 Euro für den noch nicht regu­lier­ten Fahr­zeug­scha­den sowie ca. 450 Euro für durch den Unfall ver­ur­sach­te wei­te­re Auf­wen­dun­gen und für einen Nut­zungs­aus­fall zugesprochen.

Die Beklag­te habe, so der Senat, in erheb­li­cher Wei­se gegen das im Stra­ßen­ver­kehr gel­ten­de Rück­sicht­nah­me­ge­bot (§ 1 Abs. 2 Stra­ßen­ver­kehrs­ord­nung) ver­sto­ßen. Sie sei zwar bei Grün­licht in den Kreu­zungs­be­reich ein­ge­fah­ren. Dort sei sie zunächst auf­ge­hal­ten wor­den, so dass sie die­sen dann grund­sätz­lich als gegen­über dem Quer­ver­kehr bevor­rech­tig­ter “Nach­züg­ler” habe räu­men dür­fen. Dabei habe sie aber nicht blind­lings dar­auf ver­trau­en dür­fen, vom Quer­ver­kehr vor­ge­las­sen zu wer­den. Ein “Nach­züg­ler” habe den Kreu­zungs­be­reich viel­mehr vor­sich­tig, unter sorg­fäl­ti­ger Beach­tung des ein­set­zen­den Gegen- oder Quer­ver­kehrs mit Vor­rang zu ver­las­sen. Die Anfor­de­run­gen an sei­ne Auf­merk­sam­keit erhöh­ten sich mit sei­ner Ver­weil­dau­er im Kreu­zungs­be­reich. Je län­ger sich ein “Nach­züg­ler” im Kreu­zungs­be­reich auf­hal­te, des­to eher habe er mit einem Pha­sen­wech­sel und anfah­ren­dem Quer­ver­kehr zu rech­nen. Er müs­se dann davon aus­ge­hen, dass der übri­ge Ver­kehr aus sei­nem Ver­hal­ten schlie­ßen könn­te, dass er nicht wei­ter­fah­ren wer­de. Des­we­gen dür­fe er nach einer län­ge­ren Ver­weil­dau­er nur dann wei­ter­fah­ren, wenn er sich ver­ge­wis­sert habe, dass eine Kol­li­si­on mit dem Gegen- oder Quer­ver­kehr aus­ge­schlos­sen sei. Die­sen Sorg­falts­an­for­de­run­gen habe die Beklag­te nicht genügt. Sie sei viel­mehr uner­war­tet und zügig los­ge­fah­ren, ohne auf das her­an­na­hen­de Klä­ger­fahr­zeug zu ach­ten. Mit die­ser Fahr­wei­se haben sie den Unfall im erheb­li­chen Umfang verschuldet.

Den Fah­rer des klä­ge­ri­schen Fahr­zeugs tref­fe dem­ge­gen­über kein Ver­schul­den. Der Beklag­ten habe er als “Nach­züg­ler” nicht mehr die Mög­lich­keit geben müs­sen, die Kreu­zung zu räu­men. Nach­dem die für ihn gel­ten­de Ampel bereits über 19 Sekun­den Grün­licht gezeigt habe, als er in die Kreu­zung ein­fuhr, und vor ihm bereits wei­te­re Fahr­zeu­ge in sei­ner Rich­tung sowie aus sei­ner Gegen­rich­tung kom­mend den Kreu­zungs­be­reich pas­siert hat­ten, habe er auf sei­ne freie Durch­fahrt ver­trau­en und nicht mehr mit Nach­züg­lern aus dem Quer­ver­kehr rech­nen müssen.

Schlemm emp­fahl, die Ent­schei­dung zu beach­ten und in der­ar­ti­gen Fäl­len recht­li­chen Rat in Anspruch zu neh­men, wobei er dabei u. a. auch auf die Anwäl­te und Anwäl­tin­nen in dem VdV­KA — Ver­band deut­scher Ver­kehrs­rechts­an­wäl­te e. V. – www.vdvka.de — verwies.

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