Schles­wig-Hol­stei­ni­sches Ober­lan­des­ge­richt, Beschluss vom 02.05.2023, AZ 7 U 170/22

Aus­ga­be: 04–2023

1. Grund­sätz­lich trägt der Schä­di­ger die Beweis­last, dass der ver­meint­lich Geschä­dig­te in die Beschä­di­gung sei­nes Fahr­zeu­ges ein­ge­wil­ligt hat. Die unge­wöhn­li­che Häu­fung von Beweis­an­zei­chen für eine Mani­pu­la­ti­on kann für die Über­zeu­gungs­bil­dung des Tatrich­ters genü­gen. Beweis­an­zei­chen kön­nen sich z.B. erge­ben aus dem Unfall­her­gang, der Art der Schä­den, der Art der betei­lig­ten Fahr­zeu­ge, dem Anlass der Fahrt, feh­len­der Kom­pa­ti­bi­li­tät, den per­sön­li­chen Bezie­hun­gen oder wirt­schaft­li­chen Ver­hält­nis­sen. Aus­schlag­ge­bend ist dabei eine Gesamt­wür­di­gung, bei der aus einer Indi­zi­en­ket­te auf die plan­mä­ßi­ge Vor­be­rei­tung und Her­bei­füh­rung des ver­meint­li­chen Unfalls geschlos­sen wer­den kann. Selbst wenn es für jede ein­zel­ne ver­däch­ti­ge Fest­stel­lung bei sepa­ra­ter Betrach­tung eine unver­fäng­li­che Erklä­rung geben mag, kann deren durch Zufall nicht mehr lebens­nah erklär­ba­re Häu­fung die Schluss­fol­ge­rung auf ein gemein­sa­mes betrü­ge­ri­sches Vor­ge­hen zu Las­ten des geg­ne­ri­schen Haft­pflicht­ver­si­che­rers begründen.

2. Maß­geb­li­cher objek­ti­ver Umstand für ein mani­pu­lier­tes Ereig­nis ist die feh­len­de Kom­pa­ti­bi­li­tät, wenn sich das Scha­dens­bild am Klä­ger­fahr­zeug nicht mit dem behaup­te­ten und von dem ver­meint­li­chen Unfall­ver­ur­sa­cher bekun­de­ten „Unfall­her­gang“ (hier rück­wär­ti­gen Aus­park­vor­gang) tech­nisch in Ein­klang brin­gen lässt.

3. Wei­te­re für eine Mani­pu­la­ti­on spre­chen­de Umstän­de sind: hoch­wer­ti­ges Geschä­dig­ten­fahr­zeug der Ober­klas­se (hier Mer­ce­des-Benz E 250) und Voll­kas­ko ver­si­cher­tes, älte­res Fahr­zeug auf Beklag­ten­sei­te; lukra­ti­ver Streif­scha­den, der meist wesent­lich kos­ten­güns­ti­ger in Pri­vat-/Nied­rig­preis­werk­stät­ten oder in Eigen­re­gie repa­riert wer­den kann; Kol­li­si­on auf einem Park­platz, wo wegen gerin­ger Geschwin­dig­kei­ten Blech­schä­den — ohne beson­de­res Risi­ko für Per­so­nen­schä­den — dosiert bei­gebracht wer­den können.

4. Wenn der ver­meint­li­che Unfall­ver­ur­sa­cher als Zeu­ge zum Unfall­her­gang bereits vom Gericht aus­führ­lich gehört wor­den ist und danach ein über­zeu­gen­des Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ein­ge­holt wur­de, dass — im Wider­spruch zur Zeu­gen­aus­sa­ge — kei­ne ent­spre­chen­de tech­ni­sche Kom­pa­ti­bi­li­tät des Scha­dens­her­gangs fest­ge­stellt hat, ist in der Regel eine erneu­te Zeu­gen­ver­neh­mung nicht mehr erfor­der­lich. Ein Gehörsver­stoß liegt nicht vor. Der behaup­te­te Unfall­her­gang wäre näm­lich nur mit einer an das Sach­ver­stän­di­gen­gut­ach­ten ent­spre­chend ange­pass­ten Zeu­gen­aus­sa­ge plau­si­bel erklär­bar. Sol­che Bekun­dun­gen wären aber wenig über­zeu­gend und wegen Wider­spruchs zur vor­he­ri­gen Aus­sa­ge auch unglaubhaft.

Ori­en­tie­rungs­satz:
Maß­geb­li­cher objek­ti­ver Umstand für ein mani­pu­lier­tes Unfall­ereig­nis ist die feh­len­de Kom­pa­ti­bi­li­tät, wenn sich das Scha­dens­bild am Klä­ger­fahr­zeug nicht mit dem behaup­te­ten und von dem ver­meint­li­chen Unfall­ver­ur­sa­cher bekun­de­ten „Unfall­her­gang“ tech­nisch in Ein­klang brin­gen lässt.

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: https://www.gesetze-rechtsprechung.sh.juris.de/…