(Kiel) Tritt ein Kläger in einer Klage Beweis für den Hergang eines Unfalls durch eine Zeugenvernehmung an, so muss das Gericht im Regelfall erst eine Beweisaufnahme durchführen, bevor es aufgrund sonstiger Indizien von einer Manipulation ausgeht.

Unterlässt das erstinstanzliche Gericht jegliche Beweisaufnahme und hört sich nicht die Parteien an, liegt ein zur Zurückverweisung führender erheblicher Verstoß gegen Art. 103 GG (Verletzung des rechtlichen Gehörs) vor.

Mit dieser Begründung, so der Bad Nauheimer Fachanwalt für Verkehrsrecht Romanus Schlemm, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel,  hat der 22. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Frankfurt in einem Urteil vom 20.07.2010 (Az.: 22 U 14/10) das Landgericht Darmstadt abgewatscht, welches eine Klage ohne jegliche Beweisaufnahme und ohne Vernehmung des angebotenen Zeugen durch die Klägerseite abgewiesen hatte.

Der Kläger ist hier Inhaber einer Kfz-Reparaturwerkstatt. Er macht Schadensersatz aus einem von ihm behaupteten Unfallereignis aus dem Jahre 2008 geltend. Nach dem Klägervortrag befuhr Herr AB an diesem Tag mit einem gemieteten Transporter das Firmengelände des Klägers. Aus Unaufmerksamkeit fuhr er mit seinem Transporter beim rückwärtigen Rangieren in einer Halle gegen ein Abgas-Untersuchungsgerät sowie gegen ein Achsvermessungsgerät. Das Abgas-Untersuchungsgerät fiel sodann aufgrund des Zusammenstoßes in eine Montagegrube in der Halle, wobei ein Schaden von knapp 20.000 Euro entstand. Der Kläger verlangte nun Schadensersatz für beide Geräte. Zum Beweis des Unfallhergangs hatte er sich auf den Zeugen Z1, ein Sachverständigengutachten sowie das Zeugnis der ermittelnden Polizeibeamten berufen. Bereits in der Vergangenheit war es zu verschiedenen Unfällen beziehungsweise Schädigungen zwischen dem Kläger, Herrn C und sowie anderen Beteiligten gekommen.

Das Landgericht Darmstadt wies nach mündlicher Verhandlung, zu der der Kläger allerdings nicht geladen wurde, die Klage ohne Beweisaufnahme ab. Nach den Umständen könne hier davon ausgegangen werden, dass es sich um ein manipuliertes Unfallereignis gehandelt habe. Die Vielzahl unstreitiger Manipulationsindizien reiche für die Annahme eines Anscheinsbeweises aus, den der Kläger nicht habe erschüttern können. Es liege hier eine „Häufung von Unfallereignissen“ zwischen den beteiligten Personen und Dritten vor, die ebenfalls mittelbar Beteiligte waren. Es widerspräche jeglicher Lebenserfahrung, dass in einem Zeitraum von vier Jahren in wechselnden Rollen und Paarungen insgesamt vier Verkehrsunfälle, zwei Fahrzeugschäden und ein Betriebsschadensfall verursacht worden sein könnten.

Die dagegen vom Kläger vor dem OLG Frankfurt eingelegte Berufung hatte vollen Erfolg, betont Schlemm.

Trete ein Kläger in einer Klage Beweis für den Hergang eines Unfalls durch eine Zeugenvernehmung an, so müsse das Gericht im Regelfall erst eine Beweisaufnahme durchführen, bevor es aufgrund sonstiger Indizien von einer Manipulation ausgehe. Unterlasse das erstinstanzliche Gericht jegliche Beweisaufnahme und hört sich auch nicht die Parteien an, liege darin ein erheblicher Verstoß gegen Art. 103 GG (Verletzung des rechtlichen Gehörs) vor.

Ohne die Durchführung der Beweisaufnahme habe das Landgericht nicht die Möglichkeit gehabt, festzustellen, ob sich aus den Bekundungen des Zeugen Anhaltspunkte dafür ergaben, dass es sich vorliegend – trotz bestehender Bedenken hinsichtlich der Häufung von Unfällen und anderer Indizien – um ein zufälliges und nicht abgesprochenes Unfallereignis handelte. Dazu habe das Landgericht auch den Kläger als Partei anhören und ihm die Gelegenheit geben müssen, zu den Einzelheiten des Unfallgeschehens und den Bedenken des Gerichts Stellung zu nehmen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (1 BvR 1822/08) verpflichte Art. 103 Abs. 1 GG ein Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. In diesem Sinne gebiete Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge, was das Landgericht Darmstadt hier nicht berücksichtigt habe. Das OLG Frankfurt hob das erstinstanzliche Urteil daher auf und verwies die Sache an das Landgericht Darmstadt zur erneuten Verhandlung zurück.

Schlemm empfahl, diese Grundsätze zu beachten und in allen Fällen ggfs. rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

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Romanus Schlemm
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Fachanwalt für Verkehrsrecht
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