(Kiel) Eine Kfz-Haftpflichtversicherung ist unter Umständen auch dann zu Schadensersatzleistungen gegenüber einem unfallgeschädigten Verkehrsteilnehmer – hier einem fünfjährigen Kind – verpflichtet, wenn der Fahrer des Pkw keinen Verkehrsverstoß begangen hat und zudem für ihn der Unfall ein „unabwendbares Ereignis“ darstellte.

Darauf verweist der Erlanger Fachanwalt für Verkehrsrecht Marcus Fischer, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel, unter Hinweis auf ein am 28.07.2010 veröffentlichtes Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Nürnberg vom 16.06.2010 – 8 U 2496/09.

Die Parteien stritten dabei über die Folgen eines Verkehrsunfalls, der sich im Mai 2009 in Pommelsbrunn ereignet hatte. Der Fahrer eines Kraftfahrzeugs hatte eine schmale Wohnstraße, in der keine Gehwege angelegt sind, befahren. Plötzlich und für ihn unerwartet lief ein fünfjähriges Kind aus der Hofeinfahrt des elterlichen Anwesens unmittelbar auf die Strasse heraus und prallte gegen die rechte Vorderseite des Pkw. Das Kind wurde durch den Unfall erheblich verletzt. Nach den Feststellungen eines Verkehrsunfallsachverständigen hatte der Wagen die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h nicht überschritten, er war lediglich 25 km/h gefahren. Weil jedoch die Hofeinfahrt für den PKW-Fahrer wegen eines hohen Gartenzauns nicht einsehbar war, bemerkte er das Kind erst, als es schon die Strasse betreten hatte. Er hätte nur bei Einhaltung von Schrittgeschwindigkeit noch rechtzeitig reagieren und damit den Unfall vermeiden können.

„Kein Verschulden des Fahrers“ entschied der 8. Senat des Oberlandesgerichts Nürnberg und korrigierte hierdurch ein Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth aus erster Instanz. betont Fischer.

Zwar schreibt die Straßenverkehrsordnung vor, dass ein Fahrzeugführer durch Anpassung seiner Geschwindigkeit und ständige Bremsbereitschaft Gefährdungen von Kindern ausschließen muss. In der konkreten Verkehrssituation hatte der PKW-Fahrer aber keinerlei Anhaltspunkte gehabt, mit der Annäherung von Kindern zu rechnen. Allein die abstrakte Gefahrenlage in einer Wohnstraße – in der immer Kinder plötzlich auftauchen können – reicht nicht dazu aus, den Fahrer zur dauernden Einhaltung von Schrittgeschwindigkeit (ca. 5 bis 7 km/h) zu verpflichten.

Demgegenüber bestand bei den Richtern in beiden Instanzen Einigkeit, dass die Haftpflichtversicherung des Pkw-Halters sehr wohl Schadensersatz und Schmerzensgeld an das Kind leisten muss. Denn seit einer Änderung des Straßenverkehrsgesetzes im Jahr 2002 kommt es nicht mehr darauf an, ob der Unfall für einen Fahrzeugführer, der alle Vorschriften der StVO beachtet, ein „unabwendbares Ereignis“ darstellt. Vielmehr wird ein Ausschluss der Haftung des Versicherers allein für den Fall von „höherer Gewalt“ anerkannt. Mit dieser Gesetzesänderung sollte verhindert werden, dass beispielsweise Kinder, die sich im Verkehr objektiv unsachgemäß verhalten und deren Verhalten ein PKW-Fahrer nicht voraussehen kann mit der Folge, dass der Unfall für ihn „unabwendbar“ ist, ohne Ersatz bleiben. Denn „höhere Gewalt“ – also ein außergewöhnliches, von außen kommendes Ereignis, zum Beispiel das Umstürzen eines Baumes – dürfte deutlich seltener anzunehmen sein. Die Position von Kindern, Hilfsbedürftigen und älteren Menschen im Schadensfall wurde damit gestärkt.

Ein Fall von „höherer Gewalt“ liegt nicht vor, wenn ein Kind plötzlich aus einer Einfahrt heraus rennt – so das Urteil des Senats. Daher wurde dem fünfjährigen Unfallopfer, obwohl es für alle unvorhersehbar auf die Straße gelaufen ist und andererseits den Pkw-Fahrer kein Schuldvorwurf trifft, Schadensersatz von der Kfz-Haftpflichtversicherung zugesprochen.

Fischer riet, das Urteil zu beachten und in allen Schadensfällen unbedingt rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf den VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

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