BGH, Beschluss vom 30.07.2020, AZ VI ZR 397/19

In einem wei­te­ren VW-Ver­fah­ren hat der unter ande­rem für das Recht der uner­laub­ten Hand­lung zustän­di­ge VI. Zivil­se­nat des Bun­des­ge­richts­hofs ent­schie­den, dass geschä­dig­ten Käu­fern eines vom soge­nann­ten “Die­sel­skan­dal” betrof­fe­nen Fahr­zeugs unter dem Gesichts­punkt soge­nann­ter “Delikt­szin­sen” kein Anspruch auf Ver­zin­sung des für das Fahr­zeug bezahl­ten Kauf­prei­ses bereits ab Kauf­preis­zah­lung zusteht. 

Sach­ver­halt:

Die Klä­ge­rin erwarb im August 2014 von einem Auto­händ­ler einen gebrauch­ten, von der Beklag­ten her­ge­stell­ten Pkw Golf VI 1,6 TDI mit einer Lauf­leis­tung von rund 23.000 km zu einem Preis von 15.888 €. Das Fahr­zeug war mit einem Die­sel­mo­tor des Typs EA189 aus­ge­stat­tet, der mit einer Steue­rungs­soft­ware ver­se­hen war, die erkennt, ob sich das Fahr­zeug auf einem Prüf­stand im Test­be­trieb befin­det, und in die­sem Fall in einen Stick­oxid (NOx)-optimierten Modus schal­tet. Nach­dem das Kraft­fahrt-Bun­des­amt die Pro­gram­mie­rung als unzu­läs­si­ge Abschalt­ein­rich­tung bean­stan­det und die Beklag­te ver­pflich­tet hat­te, geeig­ne­te Maß­nah­men zu ergrei­fen, ließ die Klä­ge­rin das von der Beklag­ten ent­wi­ckel­te Soft­ware-Update im Jahr 2017 auf­spie­len. Mit ihrer Kla­ge ver­langt die Klä­ge­rin im Wesent­li­chen Ersatz des für das Fahr­zeug gezahl­ten Kauf­prei­ses nebst Zin­sen ab Kauf­preis­zah­lung Zug um Zug gegen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahrzeugs. 

Bis­he­ri­ger Prozessverlauf: 

Das Land­ge­richt Olden­burg hat die Beklag­te im Wesent­li­chen zur Erstat­tung des Kauf­prei­ses abzüg­lich Nut­zungs­er­satz Zug um Zug gegen Über­ga­be und Über­eig­nung des Fahr­zeugs ver­ur­teilt. Das Ober­lan­des­ge­richt Olden­burg hat die­ses Urteil auf die Beru­fung der Klä­ge­rin dahin­ge­hend abge­än­dert, dass es ihr Zin­sen bereits ab Kauf­preis­zah­lung zuge­spro­chen hat. Die wei­ter­ge­hen­de Beru­fung der Klä­ge­rin sowie die Beru­fung der Beklag­ten hat es zurück­ge­wie­sen. Zur Begrün­dung hat das Ober­lan­des­ge­richt im Wesent­li­chen aus­ge­führt, der Klä­ge­rin ste­he gegen die Beklag­te ein Anspruch auf Scha­dens­er­satz wegen vor­sätz­li­cher sit­ten­wid­ri­ger Schä­di­gung (§ 826 BGB) zu, auf den sie sich im Wege des Vor­teils­aus­gleichs die gezo­ge­nen Nut­zun­gen anrech­nen las­sen müs­se. Dabei sei von einer Gesamt­fahr­leis­tung des Fahr­zeugs von 200.000 km aus­zu­ge­hen. Ab dem Zeit­punkt der Zah­lung kön­ne die Klä­ge­rin von der Beklag­ten gemäß § 849 BGB zudem soge­nann­te “Delikt­szin­sen” ver­lan­gen. Bei­de Par­tei­en haben gegen die­ses Urteil Revi­si­on eingelegt. 

Ent­schei­dung des Senats: 

Bei­de Revi­sio­nen hat­ten nur zum Teil Erfolg. 

Im Wesent­li­chen unter Ver­weis auf sein ers­tes Urteil zum soge­nann­ten “Die­sel­skan­dal” vom 25. Mai 2020 (VI ZR 252/19) hat der VI. Zivil­se­nat auch hier einen Anspruch der Klä­ge­rin aus § 826 BGB auf Erstat­tung des von ihr auf­ge­wen­de­ten Kauf­prei­ses abzüg­lich der ihr durch den Gebrauch des Fahr­zeugs zuge­flos­se­nen Nut­zungs­vor­tei­le Zug um Zug gegen “Rück­ga­be” des Fahr­zeugs für gege­ben erach­tet. Einen Anspruch der Klä­ge­rin auf soge­nann­te “Delikt­szin­sen” nach § 849 BGB hat er hin­ge­gen — anders als das Beru­fungs­ge­richt — ver­neint. Zwar erfasst die­se Vor­schrift grund­sätz­lich jeden Sach­ver­lust durch Delikt, auch den Ver­lust von Geld in jeder Form. Dies gilt auch dann, wenn die­ser Ver­lust — wie hier — mit Wil­len des Geschä­dig­ten durch Weg­ga­be erfolgt. Vor­lie­gend stand einer Anwen­dung des § 849 BGB aber jeden­falls der Umstand ent­ge­gen, dass die Klä­ge­rin als Gegen­leis­tung für die Hin­ga­be des Kauf­prei­ses ein in tat­säch­li­cher Hin­sicht voll nutz­ba­res Fahr­zeug erhal­ten hat; die tat­säch­li­che Mög­lich­keit, das Fahr­zeug zu nut­zen, kom­pen­sier­te den Ver­lust der Nut­zungs­mög­lich­keit des Gel­des. Eine Ver­zin­sung gemäß § 849 BGB ent­spricht in einem sol­chen Fall nicht dem Zweck der Vor­schrift, mit einem pau­scha­lier­ten Min­dest­be­trag den Ver­lust der Nutz­bar­keit einer ent­zo­ge­nen oder beschä­dig­ten Sache auszugleichen. 

Wei­te­re Infor­ma­tio­nen: http://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/recht…