(Kiel) Der Bundesgerichtshof hat soeben Urteile des Oberlandesgerichts und des Landgerichts Braunschweig bestätigt, wonach kein Schadensersatzanspruch des Eigentümers eines gestohlenen Kfz auf Ausgleich von Schäden besteht, die aufgrund einer rechtmäßigen polizeilichen Maßnahme – hier „Rammen bei einer Verfolgungsfahrt“ – entstanden sind.

Darauf verweist der Bad Nauheimer Fachanwalt für Verkehrsrecht Romanus Schlemm, Vizepräsident des VdVKA – Verband deutscher VerkehrsrechtsAnwälte e. V. mit Sitz in Kiel,  unter Hinweis auf die Mitteilung des Oberlandesgerichts (OLG) Braunschweig vom 26.04.2011 zu den Urteilen, Az.: BGH: III ZR 174/10 – OLG Braunschweig: 3 U 86/09.

Der Kläger, ein selbständiger Autohändler aus Bad Bentheim, begehrt vom Land Niedersachsen die Zahlung einer Entschädigung nach einem rechtmäßigen Polizeieinsatz. Ihm wurde in der Nacht vom 18. auf den 19. Oktober 2006 bei einem Einbruch von Herrn Martinus O ein VW Touran gestohlen. O verbrachte das Fahrzeug in die Niederlande, um es dort zu eigenen Zwecken zu verwenden.

Am 08.11.2006 fuhr O gemeinsam mit dem weiteren Täter D mit dem streitgegenständlichen Touran, den er zwischenzeitlich mit niederländischen Kennzeichen versehen hatte, nach Wolfsburg. O und D beabsichtigten, dort in Fahrzeuge einzubrechen und Gegenstände aus diesen zu entwenden. Auf dem Gelände eines großen Autohauses in Wolfsburg wurde die Polizei auf Täter aufmerksam. Die Polizei entsandte mehrere Streifenwagen zum Autohaus, um die Täter festzunehmen. O und D flüchteten jedoch mit dem klägerischen Pkw vom Tatort.

Während der anschließenden Verfolgungsfahrt kam O Anhaltesignalen der Polizei nicht nach, sondern überschritt die zulässige Höchstgeschwindigkeit erheblich, nahm dabei keine Rücksicht auf den Individualverkehr und kollidierte fast mit einem entgegenkommenden Polizeifahrzeug. Die Polizei entschied sich daher, den Touran in einem günstigen Moment mit einem VW Bus zu rammen. Die Streifenwagenbesatzung handelte dabei allein zum Schutz der Allgemeinheit. Dass der Touran zuvor entwendet wurde und dem Kläger gehörte, war der Polizei nicht bewusst.

Durch das Verhalten der Polizei wurde der Touran, der vor der polizeilichen Maßnahme einen Wiederbeschaffungswert von netto fast 19.000 € hatte, erheblich beschädigt. Das Fahrzeug überschlug sich, so dass der Restwert nach der Kollision nur noch knapp über 7.000 € betrug. Von den Tätern konnte der Kläger nur teilweise Entschädigung erhalten, da diese kein ausreichendes Einkommen oder Vermögen haben, um den Schaden abzudecken. Es verbleibt ein offener Rest von ca. 6.000 €.

Die auf Schadensersatz gerichtete Klage wies das Landgericht Braunschweig am 05.08.2009 ab. Auch die Berufung hatte keinen Erfolg. Das Oberlandesgericht Braunschweig wies das Rechtsmittel mit Urteil vom 30.06.2010 zurück.

Der Bundesgerichtshof (BGH) bestätigte nun mit Urteil vom 03.03.2011 die Entscheidungen der Braunschweiger Richter, so Schlemm.

Da die Polizei rechtmäßig zum Schutz der Allgemeinheit gehandelt habe, komme eine Entschädigung aus dem Amtshaftungsrecht nicht in Betracht. Denn dafür wäre ein rechtswidriges Verhalten der Polizei erforderlich gewesen, woran es hier fehle.

Eine besondere gesetzliche Regelung des Niedersächsischen Polizeirechts (§ 80 NdsSOG) greife – was das Oberlandesgericht richtig erkannt habe – nicht, da sich die Maßnahme nicht gezielt gegen den Kläger als Eigentümer, sondern gegen die Täter O und D gerichtet habe.

Anders als in anderen Bundesländern gibt es in Niedersachsen keine gesetzliche Grundlage für einen Ausgleichsanspruch, wenn ein unbeteiligter Dritter durch eine rechtmäßige Maßnahme der Polizei einen Schaden erleidet.

Schließlich könne – so BGH und OLG übereinstimmend – der Kläger auch keinen Ausgleich verlangen, weil er durch das gezielte Rammen seines Fahrzeuges ein unzumutbares Sonderopfer erlitten hätte. Bereits durch den Diebstahl war ohne Zutun der Polizei eine Situation entstanden, in der das Eigentumsrecht des Klägers erheblich beeinträchtigt war. Schon durch den Diebstahl und das Verbringen in das Ausland war in Frage gestellt, ob der Kläger jemals wieder in den Besitz des Fahrzeugs gelangen würde. Darüber hinaus bestand auch die gesteigerte Gefahr, dass die Diebe das Fahrzeug ohne jede Rücksichtnahme auf die Belange des Eigentümers gebrauchen. Diese Gefahr hatte sich bereits vor dem Rammen des Fahrzeugs verwirklicht, da der Täter ein rücksichtsloses, Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer wie auch des Eigentums des Klägers gefährdendes Fahrverhalten an den Tag gelegt hatten. Letztlich haben die Täter damit das Rammen als letztes Mittel herausgefordert.

Immerhin hat das Rammen dazu geführt, dass der Kläger sein Eigentum – wenn auch geschädigt – zurückerhalten hat und jedenfalls teilweise Schadensersatz von den Tätern O und D erlangen konnte.

Schlemm empfahl, in derartigen Fällen rechtlichen Rat in Anspruch zu nehmen, wobei er dabei u. a. auch auf die Anwälte und Anwältinnen in dem VdVKA – Verband deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V. – www.vdvka.de – verwies.

Für Rückfragen stehen Ihnen zur Verfügung:

Romanus Schlemm
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Verkehrsrecht
Vize-Präsident des VdVKA – Verband Deutscher Verkehrsrechtsanwälte e. V.
Kanzlei Ruppert, Schlemm & Steidl
Frankfurter Str. 28
61231 Bad Nauheim
Tel.: 06032/9345-21
Fax: 06032/9345-31
Email: Schlemm@anwaltshaus-bad-nauheim.de